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Eine hinreißende Schwindlerin

Eine hinreißende Schwindlerin

Titel: Eine hinreißende Schwindlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: COURTNEY MILAN
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laut einredet, er hätte keine Angst vor Bären. „Meine Frau hat mir von ihrem interessanten Gespräch mit Ihnen erzählt.“ Er hob mit gespielter Tapferkeit das Kinn, während Mrs. Sevin zurückwich und sich hinter seinem Rücken versteckte.
    Jenny zwang sich zu einem Lächeln. Er legte die tintenbefleckten Hände auf den Schaltertresen und in seinen Augen glomm Triumph auf.
    „Es ist so, Mr. Sevin, dass ich mich aus dem Geschäft mit der Wahrsagerei zurückziehe.“
    Unverhohlene Freude spiegelte sich auf seinen Zügen wider. „Ach. Und der Grund ist …?“
    Er kannte den Grund, dieser schreckliche Mann, aber er wollte offenbar mit ihr spielen wie die Katze mit der Maus. Der stillen, ruhigen Mrs. Sevin ihre Sünden zu beichten, war vollkommen in Ordnung gewesen. Aber bei ihrem tyrannischen Ehemann war das etwas ganz anderes.
    Wenn sie diesen Mann nun belog, würde er dann die Hand gegen seine Frau erheben? Jenny wusste, dass er das schon öfter getan hatte. Nein, die Zeit der Lügen und Halbwahrheiten war zu Ende. Keine geheimnisvollen Andeutungen konnten über Jennys Niedertracht hinwegtäuschen. Sie musste die Wahrheit sagen, kurz und bündig, so, wie man einen entzündeten Zahn zog. Irgendwann würde sie einen Weg finden, dass man sie auch ohne Lügen respektierte.
    Jenny holte tief Luft. „Ich höre auf, weil ich nicht hellsehen kann.“
    Er hob die Hand und zupfte an seinem Ohr. „Sie meinen, die Geister sprechen nicht mehr zu Ihnen.“ Er drehte sich kurz zu seiner Frau um. „Aber Ihre Kräfte kehren vielleicht wieder zurück?“
    Ein kurzes Kopfnicken und Jenny würde Mitleid ernten statt Verachtung. Aber das konnte sie Mrs. Sevin nicht antun. „Nein“, flüsterte sie. „Ich meine, ich hatte nie irgendwelche Kräfte. Sie waren alle nur … erfunden.“ Beim Sprechen verließ sie zusehends der Mut. Alles, wofür sie gearbeitet hatte – eine Stellung, in der ihr die Leute wenigstens ein Mindestmaß an Respekt zollten, selbst wenn er unverdient war –, löste sich in Wohlgefallen auf. Selbst dieser ekelhafte Mensch sah jetzt von oben auf sie herab.
    Mr. Sevin nickte bedächtig. „Meine Frau hat natürlich nie an Ihren Fähigkeiten gezweifelt. Ich hätte klüger sein müssen, als mich auf das Urteilsvermögen einer Frau zu verlassen.“
    „Bitte“, sagte Jenny, „machen Sie ihr keine Vorwürfe …“
    „Vorwürfe? Meine Liebe, die mache ich nur mir ganz allein.“ Er legte die Fingerspitzen aneinander und schien in die Ferne zu blicken. „Also beherrschen Sie gar keine übersinnlichen Tricks.“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Sie besitzen auch nicht die Gabe, die tief verborgenen Geheimnisse eines Mannes zu sehen?“
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    So etwas wie ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es war ein gespenstischer Gesichtsausdruck, der weder Belustigung noch Zufriedenheit wiedergab. Stattdessen geriet er zu einer grässlichen Grimasse und auch der letzte Zweifel erlosch in seinen Augen. Er befeuchtete sich die Lippen, und Jenny fragte sich, wie tief verborgen – und finster – die Geheimnisse dieses Mannes wohl sein mochten.
    „Zehn Jahre lang habe ich auf Bitten meiner Frau für Sie meinen Hals riskiert. Sie wissen, dass eine so angesehene Bank wie unsere keine Geschäfte mit Leuten Ihres Einkommens macht. Wenn mich nun jemand gefragt hätte, warum ich Ihnen gestattet habe, ein Konto bei uns zu eröffnen? Was wäre dann aus mir geworden?“
    „Ich habe nicht daran …“
    „Es hätte mich meine Anstellung gekostet, jawohl“, fiel Mr. Sevin ihr ins Wort. „Ich habe eine Ehefrau. Ein Kind !“
    „Aber …“
    „Ich hielt es für klüger, Sie nicht zu verärgern. Meine Frau behauptete, Ihre Fähigkeiten wären geradezu Furcht einflößend – aber diese Ängste waren wie so viele weibliche Schwächen natürlich nur reine Hirngespinste.“ Er sprach jetzt leise und zischend. Verstohlen sah er sich um, ob vielleicht jemand zuhörte.
    Leider war das nicht der Fall. Die Schalterhalle war fast menschenleer bis auf zwei Angestellte, die sich am anderen Ende der Halle miteinander unterhielten. Die ohnehin stets ruhige Mrs. Sevin war vollkommen still geworden und betrachtete angelegentlich den Fußboden. Jenny rief sich in Erinnerung, dass sie diejenige war, die sich im Unrecht befand, und dass sie seine Reaktion, mochte sie auch noch so vernichtend sein, durchaus verdiente.
    „Ich bitte um Verzeihung wegen der Unannehmlichkeiten“, sagte sie. „Ich weiß Ihre

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