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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erschießt. Er ist so groß, so leicht zu treff…«
    Daphnes Gesichtsausdruck wurde hart, als sie begriff. »Du willst es tun, nicht wahr…? Du willst gegen ihn kämpfen.« Sie wurde zur Seite gedrängt, als Milo seine riesige Hand auf die Schulter des Jungen fallen ließ, worauf dieser etwas windschief dastand.
    »Hört mir zu!«, rief Milo den Räubern zu. »Ich bin nicht der Häuptling. Mau ist der Häuptling. Er ist aus dem Land Locahas zurückgekehrt. Er hat die Seelen der Toten befreit. Die Götter haben sich vor ihm in einer Höhle versteckt, aber er hat sie gefunden, und sie haben ihm das Geheimnis der Welt verraten! Und er hat keine Seele.«
    Heiliger Bimbam!, dachte Daphne. Als sie acht Jahre alt gewesen war, wurde einer der Diener entlassen, weil er diesen Ausdruck benutzt hatte, und bis sie an Bord der
Sweet Judy
kam, hatte sie gedacht, es wäre der schlimmste Fluch der ganzen Welt. Aber so fühlte er sich auch immer noch an.
    Heiliger Bimbam! Das waren mehr Worte auf einmal, als Milo sonst an einem ganzen Tag sagte! Und sie hätten auch von seinem Bruder kommen können, denn sie verkleideten die Wahrheit als Lüge, und genau das ließ sie in Daphnes Kopf widerhallen. Das Gleiche schienen sie in den Köpfen der Krieger zu bewirken. Sie starrten Mau voller Erstaunen an.
    Dann landete auch auf Daphnes Schulter eine schwere Hand, und Cox sagte:
    »Fräulein? Ich werde den kleinen Mistkäfer wohl erschießen müssen, was?«
    Sie fuhr herum und stieß seine Hand weg. Doch er packte sie fest am Handgelenk.
    »Ich könnte Sie erschießen, Cox, ganz gleich, was Sie sagen!«
    Cox lachte. »Oh, Sie haben wohl Geschmack am Töten gefunden, kleines Fräulein, wie?«, sagte er, während sein Gesicht genau vor ihrem hing. »Ich finde ja, dass Vergiften eigentlich gar nicht zählt. Hat er geröchelt? Wurde er ganz grün im Gesicht?
    Aber toll, wie Sie Polegrave zwei Zähne ausgeschlagen haben, dem bösen, kleinen Wicht…
    Er hat doch nicht etwa versucht, Ihnen Ihre Unschuld zu rauben, oder? Ich werde ihn erschießen, wenn er Ihnen zu nahe gekommen ist! Ach, dabei fällt mir ein, ich habe ihn erst gestern erschossen, weil er mir wieder mal endlos auf den Sack ging – wie man so schön sagt…«
    Daphne riss ihren Arm los. »Fassen Sie mich nie wieder an! Und denken Sie noch nicht einmal daran, dass ich wie Sie sein könnte. Wagen Sie es nicht…«
    »Halt.« Mau sprach nicht laut. Das tat sein Speer für ihn.
    Er zielte genau auf Cox’ Herz.
    Ein paar Sekunden lang rührte sich niemand, bis Cox langsam und vorsichtig sagte: »Ah, das ist also Ihr Verehrer? Was würde Ihr lieber Papa wohl dazu sagen? Ach du meine Güte! Und Sie haben ihm sogar das Sprechen beigebracht!«
    Der Kannibalenzwilling des Premierministers trat mit erhobenen Händen zwischen sie, und plötzlich wurden sehr viele Speere und Keulen geschwenkt.
    »Noch nicht Kampf!«, sagte er in gebrochenem Hosenmännisch zu Cox und wandte sich dann an Daphne.
    »Der Junge hat keine Seele?«, fragte er sie in der Inselsprache. »Die Welle hat seine Seele fortgespült, aber er hat sich eine neue gemacht«, sagte sie.
    »Falsch. Niemand kann sich eine Seele machen!« Aber seine Miene zeigte Besorgnis, wie Daphne bemerkte.
    »Er konnte es. Er hat sie außerhalb von sich gemacht. Deine Füße berühren sie jetzt in diesem Augenblick. Und versuch nicht, zur Seite zu treten. Sie bedeckt die ganze Insel, jedes Blatt und jeden einzelnen Kieselstein!«
    »Man nennt dich eine Frau mit großer Macht, Geistermädchen.« Der Mann trat einen Schritt zurück. »Ist es wahr? Welche Farbe haben die Vögel im Land von Locaha?«
    »Dort gibt es keine Farben. Und auch keine Vögel. Die Fische glänzen silbrig und schwimmen schnell wie Gedanken.« Die Worte waren bereits in ihrem Kopf, bevor sie darüber nachdenken musste. Gütiger Himmel, dachte sie, ich weiß das alles!
    »Wie lange kann sich jemand im Land von Locaha aufhalten?«
    »So lange, wie ein Wassertropfen fällt«, sagten Daphnes Lippen, bevor sie die Frage zu Ende gehört hatte.
    »Und die Seele, die sich eine eigene Seele macht… er war in Locahas Land?«
    »Ja. Doch er rannte schneller als Locaha.«
    Die dunklen, stechenden Augen fixierten sie noch eine Weile, und dann schien es ihr, als hätte sie irgendeinen Test bestanden.
    »Du bist sehr klug«, sagte der alte Mann schüchtern. »Eines Tages würde ich gern dein Hirn essen.«
    Aus irgendeinem Grund waren die Benimmbücher, die Daphnes Großmutter ihr

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