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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Opfer stammten.
    Professor Forli würde ebenso stolz auf sich sein wie Beppe. Im Geiste zog der Maresciallo vor beiden den Hut.
    Als er dem Capitano Bericht erstattet hatte, war der voll des Lobes für die geleistete Arbeit.
    »Brauchen Sie noch irgend etwas? Ich weiß, daß Sie sich auf Lorenzini verlassen können, wenn Sie unterwegs sind, aber ich hoffe, Sie haben genügend Männer, weil …«
    »Aber ja. Danke. Ja. Ich brauche eine Liste sämtlicher Vermißtenmeldungen der letzten Zeit. Eine junge Frau wie sie muß Eltern haben, einen Mann, einen Freund oder einen Job. Irgend jemand muß sie doch vermissen.«
    »Ich werde sie Ihnen besorgen. Trug sie einen Ehering?«
    »Keine Ahnung. Da war überhaupt kein Fleisch mehr an der rechten Hand, deswegen … Falls sie verheiratet war und der Ring ins Wasser gefallen ist, werden wir ihn finden. Wir durchsuchen im näheren Umkreis des Fundorts alles ganz genau. Und natürlich suchen wir in der gesamten Anlage nach dem fehlenden Schuh.«
    »Komisch, daß den jemand mitgenommen haben soll. Wird ja wohl kaum als Waffe benutzt worden sein, oder?«
    »Auf keinen Fall. Breiter Absatz aus Gummi. Nein, der war bestimmt nicht die Waffe.«
    Sie saßen im Büro des Capitano, und es ging bereits auf acht Uhr zu. Der Duft der Linden, der durch das offene Fenster strömte, war beinahe schon übermächtig. Wie durchaus öfter am Nachmittag war der Capitano bereits in Zivil.
    »Ich werde Ihnen gleich morgen früh die Vermißtenliste zukommen lassen, und wir informieren die Zeitung und den lokalen Fernsehsender.«
    Ein Carabiniere unterbrach ihre Unterhaltung. Der Capitano erhob sich.
    »Ich bin gleich wieder da. Bitte warten Sie doch einen Moment, falls Sie noch etwas auf dem Herzen haben.«
    »Ja, danke. Ich hätte gerne noch kurz mit Ihnen über Esposito gesprochen.«
    Während er in dem ruhigen, geräumigen Büro wartete, wanderten die Gedanken des Maresciallo zu Esposito. Er hatte ihn gerade davon in Kenntnis gesetzt, daß er aus der Armee ausscheiden wolle. Ein Verlust für die Armee. Esposito glaubte, sich einen Job in der Nähe seiner Heimatstadt Neapel suchen zu müssen, da er der einzige Sohn seiner kranken, verwitweten Mutter war. Als der Maresciallo Esposito nach dessen beruflichen Möglichkeiten und Entwicklungschancen in Neapel fragte, hatte der junge Mann ihn nur gepeinigt angestarrt.
    »Machen Sie sich Sorgen wegen Ihrer Mutter? Möchten Sie ein paar Tage nach Hause, um nach dem Rechten zu sehen?« schlug er vor, da ihm in jenem Augenblick Lorenzinis Bemerkung über diesen Selbstmordfall wieder einfiel, bei dem ein junger Mann eine Frau und ein Kind zurückgelassen hatte, eine wirklich sehr traurige Geschichte.
    »Das würde helfen, ja.« Esposito schien aufrichtig dankbar und erleichtert zu sein.
    Nun ja, vielleicht nahm ihn ja der Selbstmord tatsächlich so mit, aber wenn das stimmte, mußte sich der junge Carabiniere schnellstens ein dickeres Fell zulegen. Wenn aber Di Nuccio recht hatte und eine Frau im Spiel war, dann … Wichtig war, ihn erst einmal bei der Stange und bei der Truppe zu halten. Irgendwann würde er schon darüber hinwegkommen. Die meisten schafften das. Aber es gab auch Männer, denen es nie gelang, nicht richtig, und die dann eine einfache, ›pflegeleichte‹ Frau heirateten, die bei ihnen keine starken Gefühle weckten, vielleicht sogar eine, die Ähnlichkeiten mit ihrer Mutter hatte. Und dann gab es natürlich noch jene, die nie darüber hinwegkamen. Punkt. Solche, die nie über irgend etwas hinwegkamen. Die es sich nicht vorstellen konnten, das Risiko einzugehen, eine weitere Katastrophe heraufzubeschwören, und die sich darum in die Arbeit stürzten und lebten wie Mönche. Das war auch keine Lösung. Ein Mann sollte leben wie ein Mann. Der Maresciallo erinnerte sich daran, wie er für Teresa und die Jungen den Fremdenführer gespielt hatte, als sie aus Siracuse zu ihm nach Florenz gezogen waren. Damals hatten sie auch das Certosa-Kloster besucht, das heute ein Museum ist. Ein Mönch, dessen Aussehen und Atem auf ein recht opulentes Mittagsmahl schließen ließen, hatte ihnen die kargen Zellen mit den blutrünstigen Fresken und winzigen, an der Wand befestigten Klapptischchen gezeigt, die höchstens Platz für einen Teller oder ein Buch boten. »Diese Art Leben ist … nun ja, es ist einfach nichts für uns Italiener«, vertraute er ihnen mit vorgeneigtem Kopf an, so daß ihnen sein weinseliger Atem ins Gesicht schlug.
    Und er hatte recht. Der

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