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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Maresciallo blickte sich um. Diese Wache hier war einst ein Kloster gewesen. Über der Eichentür befand sich noch immer ein Teil eines Frescos … Es war besser, wenn er mit dem Capitano die Dinge, die Esposito persönlich betrafen, nicht diskutierte und sie ihre Bemühungen darauf konzentrierten, der Armee einen guten, intelligenten und vielversprechenden Mann zu bewahren.
    »Vielen Dank. Ich glaube, das ist die Lösung, und selbst wenn nicht, wir können nicht mehr tun als unser Bestes versuchen.« Der Maresciallo erhob sich.
    »Können Sie mich ein Stück mitnehmen?« erkundigte sich der Capitano. »Ich habe auf der anderen Seite des Flusses einen Termin.«
    Sie gingen die steinerne Treppe hinunter und warteten im Kreuzgang auf den Wagen des Maresciallo, der erst noch ausgeparkt werden mußte. Die Stimmen der Carabinieri hallten laut durch den Kreuzgang, weil im hinteren Teil des Hofes drei andere Autos umgestellt werden mußten.
    »Halt dich mehr links, und achte auf den Pfeiler!«
    »Wahrscheinlich mußt du den Jeep auch noch umsetzen!«
    Auf dem engen, begrenzten Raum röhrten die Motoren unnatürlich laut.
    Die Gedanken des Capitano beschäftigten sich einerseits mit der Sorge, welch ein Chaos die Restauration des jahrhundertealten Pflasters in ihrer einzigen Zufahrt wohl anrichten würde, und andererseits mit Espositos Zukunft in der Armee.
    »Zu meines Vaters Zeiten dienten junge Männer aus guten Familien ihrem Land als Offiziere und wollten nicht einmal Lohn dafür.«
    »Die Zeiten haben sich geändert.«
    Der Wagen des Maresciallo fuhr vor.
    »Gleich hinter der Brücke können Sie mich rauslassen, Maresciallo.«
    Fledermäuse flogen im Sturzflug unter die Brücke und stiegen in großen Kreisen wieder steil hinauf in den blutroten Himmel auf der Jagd nach Stechmücken. Der Duft der Linden war betäubend, kein Lüftchen ging. Als der Capitano auf der linken Seite des Flußufers kommentarlos ausstieg, beobachtete der Maresciallo, wie er im abendlichen Dunkel der engen Straße verschwand – derselben Straße, der er erst kürzlich selbst einen Besuch abgestattet hatte.
    »Zurück zur Pitti-Wache, Maresciallo?« wollte der Carabiniere wissen, der den Wagen fuhr.
    »Ja, bitte.«
    »Gut. Ich sterbe vor Hunger …«
    4
    Wahrscheinlich haderte der Maresciallo – wenn auch nicht immer für seine Umwelt vernehmlich – ebensooft mit seinem Schicksal wie die meisten Menschen. Dennoch meldete sich da auch stets eine Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn mahnte, dankbar zu sein für das, was er hatte. Schließlich übte er einen Beruf aus, der Tag für Tag zahlreiche Gelegenheiten bot, das Blatt zum Schlechteren zu wenden. Und so saß er am ersten Junitag in seinem Büro und zog im Geiste eine Art Bilanz. Neunundzwanzig Grad waren zu heiß für Juni, alle sagten das. Seine Männer mußten jeden Tag die Betten und ihre Habseligkeiten mit Plastikplanen abdecken und sich mit Wasser waschen, das in Eimern herbeigeschafft wurde. Bauarbeiter schoben Schubkarren durch den Warteraum, fuhren Bauschutt nach draußen und brachten Sand und Zement herein. Alles war von einer dicken Schicht Zementstaub überzogen, die auch vor dem Büro des Maresciallo nicht haltmachte, und sämtliche Ordner in den Regalen fühlten sich kalkigkreidig an. Esposito hatte sich nach Neapel verabschiedet, es fehlte ihm also ein Mann. Weder der Artikel im Lokalblatt noch der kurze Bericht in den Regionalnachrichten hatten verwertbare Informationen über die ertrunkene Frau gebracht. Auf der Vermißtenliste gab es keine Person in dem entsprechenden Alter. Und als Krönung der beiden Stunden stumpfsinniger Schreibtischarbeit inmitten seiner verstaubten Akten mußte er sich nun auch noch mit dieser Frau abgeben. Wie hieß sie noch gleich? Er fischte den Bericht heraus und pustete seufzend die Staubschicht weg. Annamaria Gori. So weit, so gut. Es könnte schlimmer sein: Neunundzwanzig Grad war heiß für Juni, aber die Nächte waren noch immer kühl genug zum Schlafen. Es war bestimmt nicht leicht für seine Männer, ohne Dusche klarzukommen. Aber im Juli oder August wäre es viel schlimmer für sie gewesen. Und wenn die Wache nicht vollgestaubt und im Bauchaos versunken wäre, würde er sich noch viel mehr darüber ärgern, daß die Handwerker mit dem Umbau noch immer nicht begonnen hatten. Nun, da sie angefangen hatten, würden sie auch bald fertig sein. Und Esposito war zumindest für eine Weile außerhalb seiner Reichweite. Er hatte getan, was er

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