Eine Japanerin in Florenz
goldiges, kleines Gesicht, hatte Lapo gesagt, und eine schlanke Figur. Sie liebte gute Kleidung, nichts Auffallendes, aber gute Qualität. Damit allerdings hatte der Maresciallo ein Problem. Sie kam aus Tokio, wie Issino, aber aus einer gutsituierten, mittelständischen Familie, die sie nach Florenz geschickt hatte, ihre Doktorarbeit in Kunstgeschichte vorzubereiten. Nach den ersten drei Monaten war sie nach Hause zurückgekehrt, hatte ihren Eltern mitgeteilt, wie sie ihre Zeit in Florenz verbracht hatte, und war schließlich gegen den Willen und ohne die Unterstützung der Eltern wieder zurückgekehrt. Sie hat Peruzzi für die Ausbildung bezahlt und anschließend ein Jahr lang höchst ärmlich gelebt, in einem Hinterzimmer der Werkstatt geschlafen, mittags an der Werkbank oder im Park ein Sandwich gegessen. Seit kurzem, seit sie Schuhe für den Verkauf fertigen konnte, hatte sie sich eine kleine Wohnung gemietet. Als der Maresciallo sich laut darüber wunderte, was sie alles aufgegeben hatte, ihre Familie, ein bequemes Leben und ein Studium, wie man es sich für ein junges, begabtes Mädchens nur wünschen konnte, schüttelte Lapo weise das Haupt. Akiko konnte das Leben, das ihre Eltern für sie ausgesucht hatten, nicht führen. Sie hatte schon immer einen richtigen Dickkopf und wollte mit den Händen arbeiten. Ihre Familie war ausgesprochen konservativ. Ihre ältere Schwester war mit einem Geschäftsmann eine arrangierte Ehe eingegangen und starb nun vor lauter Langeweile mit den beiden Kindern in einem hübschen Haus auf dem Lande, weit, weit weg von Tokio. Ihr Mann arbeitete in der Stadt und tauchte auf, wann immer es ihm gerade paßte, meist torkelte er erst nach Mitternacht aus einem Taxi. Lapo fand, daß Akiko die richtige Entscheidung getroffen hatte.
»Sie wollte weg, haßte Tokio und liebte Florenz. Warum also nicht? Sie hat nicht nur ein Handwerk gelernt, sie hat das Geschäft von der Pike auf studiert. Peruzzi exportiert auch Schuhe nach Tokio, exklusiv an ein einziges Geschäft. Wir sind davon ausgegangen, daß sie eines Tages sein Geschäft übernehmen wird, nicht daß Peruzzi sich jemals wirklich zur Ruhe setzen wird, aber seit dem Herzanfall … Nun ja, Sie können sich vorstellen, daß er zumindest mit dem Gedanken spielt.«
»Natürlich. Aber hat er nicht selbst Kinder? Ich meine, er hat einmal einen Sohn erwähnt, damals, als sein Auto abgefackelt wurde. Ich könnte schwören, Lorenzini hat gesagt, er wäre froh, daß statt Peruzzi dessen Sohn auf der Wache erschienen war, um die Anzeige zu erstatten.«
»Da täuschen Sie sich bestimmt nicht. Der Junge macht recht viel für seinen Vater, aber das Schuhmacherhandwerk will er nicht erlernen. Er ist Steuerberater und offenbar ein ziemlich erfolgreicher. Hat sich wirklich gut gemacht. Peruzzis Gesicht leuchtet auf vor Stolz, wenn er seinen Namen in den Mund nimmt, er betet den Boden an, auf dem er geht, weil er studiert hat. Wollen Sie vielleicht noch einen Kaffee und auf ihn warten? Kann nicht mehr lange dauern, bis er vom Krankenhaus zurückkommt.«
»Nein, nein danke. Ich komme ein anderes Mal wieder. Aber bitte denken Sie daran, kein Wort zu anderen über diese Sache.«
»Kein Problem. Machen Sie sich da nur keine Gedanken.«
Aber was sollte dieser seltsame Blick? Hieß der vielleicht: ›He, was willst du eigentlich? Du bist keiner von uns.‹ Ein Blick, der ihn außen vor hielt. Wenn dem so war, würde es schwierig werden. Lapo redete weiter, weil er immer redete wie ein Wasserfall, aber es war anders als sonst.
»Sind Sie sicher, daß sie es ist?« wollte er mit gesenkter Stimme wissen. »Daß sie nicht einfach nur weggegangen ist? Nichts für ungut, ich will das, was Sie gesagt haben, nicht in Frage stellen. Wir haben halt alle geglaubt, sie sei in Rom. Sie hat dort einen Freund. Peruzzi hat gesagt, daß sie bestimmt dorthin gefahren sei. Sie können sich darauf verlassen, daß ich keine Silbe über diese Sache verlauten lassen werde, zu niemandem. Akiko selbst war auch immer sehr zurückhaltend, verlor nie ein Wort über ihr Privatleben, Das war nicht ihre Art. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen. Niemand von uns wußte irgendwas, bis sie auf einmal fort war. Peruzzi hat sich schrecklich aufgeregt deswegen – wir hatten uns sehr für sie gefreut, darüber, daß sie hierbleibt. Wir mochten sie. Aber wie gesagt. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich werde schweigen wie ein Grab. Sie werden Ihren Job schon korrekt
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