Eine Japanerin in Florenz
erschrocken vom Maresciallo auf Peruzzi.
Der Maresciallo stand auf und legte beruhigend seine große Hand auf die Schulter des Lehrlings.
»Alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen. Verstehen Sie mich?«
»Ja. Danke.« Aber er konnte seinen Blick noch immer nicht von Peruzzi lösen.
Peruzzis Vereinbarungen mit dem Lehrling konnten, wie die Frage nach einer Probe von Peruzzis dna , noch warten. Er würde schließlich nicht davonlaufen. Ein weiterer Herzanfall war das letzte, was sie jetzt brauchen konnten.
»Wissen Sie«, begann Peruzzi, als er die Tür für den Maresciallo öffnete, »alle sagen, ich sei inzwischen jenseits von Gut und Böse, und ich bin der erste, der zugibt, die romantische Ader nicht gerade für sich gepachtet zu haben, aber ich hätte geschworen, daß sie verliebt war. Nicht, daß sie jemals darüber geredet hätte, aber in den letzten paar Tagen war sie nicht mehr sie selbst. Einmal habe ich gesehen, daß sie während der Arbeit geweint hat. Ich hatte nicht den geringsten Laut gehört, nur die eine Träne gesehen, die auf ihre Hand fiel. Wenn jemand nicht redet, kann man nicht helfen. Und es macht keinen Sinn, es zu erzwingen. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Zum Teufel damit! Ob ich nun zu alt dafür bin oder nicht, ich sehe, was sich vor meinen Augen abspielt. Sie war verliebt. Und wenn sie ermordet worden ist, dann habe ich wohl recht, oder? Sie ist nicht einfach auf und davon gegangen. Sie wäre geblieben, schon allein wegen des Babys. Wie ich es gesagt habe.«
Der Maresciallo verließ die Werkstatt.
6
Als der Maresciallo am nächsten Morgen am Fenster der winzigen Wohnung stand, überkam ihn wieder dieses beklemmende Gefühl in der Magengegend, das sich einfach nicht abschütteln ließ. Die Laborspezialisten hatten ihre Arbeit beendet, Fingerabdrücke abgenommen und den Inhalt aus dem Abfalleimer im Bad eingesammelt, mit dem sie höchst zufrieden schienen: Nagelreste, gebrauchte Kosmetiktücher, Haare mit Wurzel, Pflaster, auf dem Blut klebte. Vielleicht fanden sich auch Beweise dafür, daß sich ein Mann hier aufgehalten hatte. Und wenn sich herausstellte, daß es Peruzzi war? Der Maresciallo fühlte sich ausgesprochen unwohl, aber wie so oft konnte er den Grund dafür einfach nicht ausmachen. Also stand er da und starrte hinaus auf die vom Morgenregen feucht glänzende Straße. Die ungewöhnliche Hitze hatte in der Nacht mit einem heftigen Sturm ihren Höhepunkt erreicht. Der Regen hatte die Luft gereinigt, die nun klar und frisch roch, die Gedanken des Maresciallo aber liefen noch immer zusammenhanglos kreuz und quer. Er versuchte, sich an den Namen der Mieter aus der Wohnung gegenüber zu erinnern. Es gelang ihm nicht. Auch wenn er sich nicht für besonders klug hielt, auf sein Erinnerungsvermögen konnte er normalerweise blind vertrauen. Daß es ihn ausgerechnet jetzt im Stich ließ, steigerte sein Unbehagen nur noch mehr. Es waren inzwischen einige Jahre vergangen, aber in so einem alten Viertel änderten sich die Dinge nicht so schnell. Ein kurzer Blick auf Peruzzis Zettel mit Akikos Adresse hatte ihn angenehm überrascht, denn sie war ihm wohlbekannt. Ganz in der Nähe von Nardi, dessen beiden Frauen und dem Metzger, wo die beiden sich damals geschlagen hatten, vertrautes Terrain also. Und auch wenn Franco nicht mehr lebte – ein wirklich trauriger Verlust –, der Metzger mit dem glänzend roten Gesicht würde ihm bestimmt einiges erzählen können.
Die modernisierte Café-Bar hätte er gar nicht aufzusuchen brauchen, reine Zeitverschwendung. Aber in seinem Job mußte man gründlich sein, deswegen hatte er auch dort nachgefragt, ob sie die Japanerin kannten.
»Haben Sie ein Foto?«
»Nein. Sie hat direkt hier vorne gewohnt.«
»Ich arbeite noch nicht lange hier, aber ich glaube nicht, daß sie je zu uns reingekommen ist.«
Das wundert mich nicht, dachte der Maresciallo und betrachtete mit einigem Widerwillen die glibberig kalte Lasagne, die darauf wartete, in der Mikrowelle aufgewärmt zu werden. Früher, in den alten Zeiten, hätte er einen Kaffee bestellt und Franco hätte ihn über jeden ihrer Schritte informieren können, ob sie nun zu seinen Gästen zählte oder nicht.
Der rotgesichtige, lächelnde Metzger kannte Akiko.
»Das ist eine ganz Genaue. Mag Schweinefleisch, aber nur, wenn ich es ihr durch den Wolf drehe. Kalb ist nicht so ihr Fall.«
»Gab es einen Mann in ihrem Leben?«
»Ja. Ein Italiener mit einer Vorliebe für japanisches
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