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Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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gesehen.«
    Plötzlich war er nicht mehr so selbstsicher und sah mehr seinem Alter entsprechend aus. Ein Junge. Ein äußerst verängstigter Junge.
    »Erzählst du uns davon?«
    »Die Männer, die die Leiche weggebracht haben, wollten nicht, dass die Leute da rumstanden. Ich hab zwar gegafft, aber sie haben mich weggescheucht. Als ich ging, tauchte sie vor mir auf.«
    »Kannst du sie beschreiben?«
    Der camillus war zu jung, sich schon weibliche Attribute zu merken. Er schaute hilflos drein.
    »Was trug sie?«, gab ich ihm ein Stichwort.
    »Weiß. Und ihr Haar war hochgesteckt. Weiß, aber die Vorderseite ihres Kleides war mit Blut beschmiert. Daran erkannte ich, dass sie es getan hat.«
    »Natürlich. Du musst entsetzt gewesen sein«, meinte Aelianus mitfühlend.
    »Mir ging’s gut«, prahlte er und tröstete sich im Nachhinein damit. Für Furcht hatte er wahrscheinlich keine Zeit gehabt.
    Ich machte weiter. »War es eine junge Frau?«
    »O nein.« Für einen Jungen seines Alters konnte das jede Frau über fünfundzwanzig bedeuten.
    »Eine grauhaarige Oma?«
    »O nein.«
    »Eine Matrone? Hochrangig? Trug sie Schmuck?«
    »Ich weiß nicht – ich hab sie nur angestarrt. Sie hatte einen wilden Blick. Und …« Er verstummte.
    »Und was?«, fragte Aelianus geduldig.
    »Sie hielt eine Schale.« Die Stimme des Jungen hatte sich gesenkt. Das hier schien die Ursache für seine verborgene Furcht zu sein. »Sie hielt eine Schale, etwa so …« Er führte es vor, tat so, als würde er ein Gefäß auf der Hüfte abstützen und mit der Hand am äußeren Rand festhalten. Wir schwiegen. Er stammelte: »Die Schale war voll Blut. Wie bei einem Tempelopfer.«
    »Große Götter!« Selbst schockiert, legte Aelianus dem Jungen beruhigend die Hand auf die Schulter. Aelianus hatte seinem Vater und mir erzählt, dass der Tote eine große Halswunde hatte. Jetzt wussten wir, warum. Aelianus warf mir einen Blick zu und holte vorsichtig Luft. »Was ist passiert?«
    »Sie hatte etwas Schreckliches getan.«
    »Was denn?«
    »Andere hatten sie gesehen. Ich hörte sie auf uns zukommen und dachte, ich sei in Sicherheit.«
    »Aber?«
    »Vielleicht hörte sie die Leute auch kommen. Sie fing wie verrückt an zu schluchzen. Als ob sie aus einem Traum erwacht wäre, und sie hat mich gesehen. Dann hat sie was Merkwürdiges gemacht. Am Altar, wenn sie die Kehle des Opfertiers aufschlitzen, steht da manchmal ein Junge, der das Blut in einer Schale auffangen muss. Sie schien zu denken, ich sei deswegen da.« Den camillus überlief ein Schauder. »Sie sagte: ›Oh, da bist du ja!‹ – und dann gab sie mir die Schale mit dem Blut des Toten.«

XV
     
     
    Schweigend durchquerten wir die Eingangshalle auf dem Weg zur Tür. Ein Nachzügler kam die Stufen hinaufgelaufen, auf uns zu. Ein Senator in vollem Ornat und zu meinem Erstaunen ein Mann, den ich kannte. »Rutilius Gallicus!«
    »Falco! Was führt Sie denn hierher?«
    »Das könnte ich Sie auch fragen.«
    Er schnaufte, versuchte zu Atem zu kommen. »Die Pflicht.«
    »Tja, einer der Arvalbrüder können Sie nicht sein, sonst hätten Sie sich heute Abend mit Korn geschmückt! Das ist übrigens Camillus Aelianus, der Bruder von Justinus, den Sie mit mir zusammen in Afrika kennen gelernt haben.«
    Gallicus hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, nicht auszurufen: Ah, das ist der, der das reiche spanische Mädchen heiraten sollte, das sein Bruder ihm geklaut hat! »Ich habe viel von Ihnen gehört«, brachte er stattdessen hervor. Ein Fehler, wie üblich. Aelianus war sauer. Verlegen stürzte sich Rutilius Gallicus in die Erklärung für seine Anwesenheit. »Vielleicht habe ich nicht erwähnt, Falco, dass ich ein Priester vom Kult der Vergöttlichten Kaiser bin. Ich habe das Amt kurz nach Neros Hinscheiden übernommen …«
    Ich stieß einen Pfiff aus. Das war eine der höchsten Ehrungen, mit engen kaiserlichen Verbindungen, die ihm bis zu seinem Tod erhalten sein und dann in großen Lettern auf seinem Grabstein verewigt werden würde. Selbst Aelianus zwang sich, beeindruckt auszusehen. »Demzufolge haben Sie doch mit den Arvales zu tun?«
    »Nur, wenn ich es nicht vermeiden kann!«, antwortete Gallicus erschaudernd, im Herzen immer noch der gradlinige Norditaliener. »Ich halte nicht viel von denen, Falco. Aber angesichts ihrer Rolle bei den Gebeten für die Gesundheit des kaiserlichen Hauses werde ich automatisch zu ihren Festlichkeiten eingeladen.«
    »Ein freies Mahl ist nie verkehrt. Ich habe

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