Eine Jungfrau Zu Viel
bringen, bevor ihr Lauch welk wurde.
Zu meiner Erleichterung stieg Scaurus jetzt langsam von seinem Esel. Daraufhin sprang ich vom Karren, und wir beiden Männer schlenderten ein paar Schritte von den anderen weg. »Sie sind Gaia Laelias Vater, nicht wahr?« Man konnte wohl kaum erwarten, dass dieser vertrocknete Besenstiel mit dem alten Witz antwortete: Zumindest behauptet das meine Frau. »Haben Sie Ihre kleine Tochter gesehen, während Sie in Rom waren?«, fragte ich.
»Ich hab die gesamte Familie gesehen«, erwiderte er ernst. Als durchgebrannter Sohn war er etwa so aufregend wie eine Schüssel kaltes Bratenfett.
Ich beschloss, direkt zu werden. »Ich hörte, Ihre Tante habe nach Ihnen geschickt. Macht es Ihnen was aus, mir zu erzählen, warum man Sie gerufen hat?«
Scaurus schaute nervös zum Himmel. »Nein, eigentlich spricht nichts dagegen …« Ich wette, sein Vater hätte das anders gesehen. »Meine Tante, die verwitwet ist, möchte mich zu ihrem Vormund einsetzen. Ich bin Terentia Paullas einziger überlebender männlicher Verwandter.«
Für Informationsgewinnung, üblicherweise die reinste Schinderei, ging das hier sehr rasch. Erst gestern hatten wir gehört, dass Terentia Paulla nach ihrer Pensionierung geheiratet hatte. Heute erfuhr ich, dass ihr Mann bereits verstorben war. Spaßeshalber hätte man sich ausmalen können, den Mann hätte in der Aufregung der Hochzeitsnacht mit einer Vestalin der Schlag getroffen – aber wahrscheinlich war er ein alter Tattergreis von dreiundneunzig, der eines natürlichen Todes gestorben war. Ich war zu zart besaitet, Scaurus zu fragen.
Und jetzt wollte also Terentia, dass Scaurus, der Sohn ihrer verstorbenen Schwester, für sie die Verantwortung übernahm? In meiner Familie kümmerten sich verwitwete Tanten selbst um ihre Angelegenheiten, und das mit eisernem Griff. Meine Tante Marciana schnippte die Kugeln auf den Drähten ihres Abakus mit einem Tempo herum, um das sie jeder Geldwechsler beneidet hätte. Aber das Gesetz ging davon aus, dass Frauen unfähig waren, irgendwas außer den Farben ihrer Webwolle zu verwalten, und so musste eine Frau gesetzlich, besonders wenn es Vermögen gab, einen männlichen Freund oder Verwandten als Vormund haben. Eine Frau, die drei Kinder geboren hatte, war davon ausgenommen (zu Recht, wie die meisten Mütter schnaubten, die ich kannte). Die Tante von Laelius Scaurus hatte als Exvestalin vermutlich keine Kinder. Wieder schien es unangebracht, offen darüber zu spekulieren.
»Sie sehen nicht allzu glücklich aus«, bemerkte ich.
Scaurus runzelte die Stirn. Es schien ihm ob meiner Fragen unbehaglich zumute zu sein. »Ich wage nicht, das zu tun. Ich bin nie aus der Gewalt meines Vaters entlassen worden.«
Ich wusste bereits, dass seine Familie zu Streitereien neigte; jetzt verlangte die Tante, dem Familienstreit ein weiteres zerrüttendes Element hinzuzufügen. »Ihr Vater ist der ehemalige Flamen Dialis und wünscht, dass die alten Regeln eingehalten werden. Er wird seine Meinung nicht ändern?«
»Nein, niemals.«
»Könnte er sich nicht statt Ihrer um Ihre Tante kümmern? Ein Vormund muss kein Blutsverwandter sein.«
»Sie hassen sich«, sagte Scaurus, als wäre das ganz natürlich.
»Kein freundlicher Freigelassener, an den sie sich wenden könnte?«
»Das wäre unangebracht.« Vermutlich, weil sie Vestalin gewesen war. Manche Frauen waren weniger zimperlich mit Exsklaven. Ein Freigelassener hatte eine Verpflichtung seiner Patronin gegenüber, die, um ehrlich zu sein, mehr bedeuten konnte als die Blutsverwandten gegenüber empfundene Zuneigung. Manchmal hatten ein Freigelassener und seine Patronin ein Verhältnis, aber das konnte ich für eine Vestalin natürlich nicht vorschlagen.
»Und wie haben Sie die Sache geregelt, Scaurus?«
Er zögerte. Vielleicht dachte er, das ginge mich nichts an. »Meine Tante wird die Sache weiterverfolgen. Ich muss in zwölf Tagen wieder nach Rom …«
»In zwölf Tagen?«
»Der nächste Gerichtstag.« Nach Papas Drängen, die Sache mit meiner Schwester Maia unter Dach und Fach zu bringen, hätte ich mich daran erinnern müssen. Was Laelius Scaurus jedoch mit der Einwilligung seiner Tante plante, stellte sich als weit erstaunlicher heraus als unser Versuch, ein Geschäft zu kaufen. »Man wird an den Prätor herantreten, um mich für sui juris zu erklären – frei, meine Angelegenheiten selbst zu regeln. Wenn das nicht gelingt, werden wir ein Gesuch an den Kaiser richten.«
Ich pfiff.
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