Eine Katze hinter den Kulissen
ist
nämlich, daß du anständiger bist, als gut für dich
ist. Denn du würdest niemals nackt mit mir tanzen. Im Leben nicht.
Nicht einmal, wenn wir dabei auf Video aufgenommen würden.«
Ich fand diese Bemerkung amüsant. »Aber,
Tony«, sagte ich, »du bist auch nicht Dobrynin. Wer
weiß, wie ich mich entschieden hätte, wenn er mich zum Tanz
aufgefordert hätte?«
Basillio antwortete nicht und am anderen Ende der
Leitung ging auch niemand dran. Schließlich legte ich auf und
rief Frank Brodsky an.
Der Anwalt berichtete mir, daß Lucia zu Hause
sei, aber nicht ans Telefon ginge. Sie sei völlig mit den Nerven
runter, stünde unter Beruhigungsmitteln und ärztlicher
Aufsicht. Die ganze Aufregung sei einfach zu viel für sie gewesen.
Ich wich seinen Fragen hinsichtlich meiner
Ermittlungserfolge aus, soweit es ging, und sagte, ich hätte jetzt
gleich einen dringenden Termin in dieser Angelegenheit.
Dann rief ich Melissa Taniment an. Ich nannte meinen
Namen, sagte, daß ich sie dringend noch einmal sprechen
müsse und fragte, ob ich kurz vorbeikommen könne.
Sie antwortete, sie habe nicht die geringste Absicht, sich noch einmal mit mir zu treffen, weder heute abend noch sonstwann.
»Wären Sie bereit, diese Antwort vor einer Videokamera zu wiederholen?« fragte ich.
Ich wartete, bis sie das lange, bedrückende
Schweigen endlich brach und eisig sagte: »Kommen Sie her.«
Dann legte sie auf.
»Soll ich dich begleiten?« fragte Tony.
»Nein, bleib du hier und ruh dich aus. Es wird
nicht lange dauern. Soll ich dir eine Suppe mitbringen?« bot ich
an, während ich meinen Mantel anzog.
»Ja. Und sag ihm, er soll die Suppe kräftig machen, mit zwei Oliven drin.«
Ich verließ das Hotel und ging auf direktem
Wege zu dem gläsernen Hochhaus. Melissa sagte kein Wort, als sie
die Tür öffnete. Anscheinend kam sie gerade aus der Dusche.
Sie hatte ein großes blaues Handtuch um den Kopf gewickelt und
trug einen Bademantel in der gleichen Farbe.
Sie führte mich abermals in die Küche. Das
war wohl ihre Art, mir zu zeigen, daß ich gesellschaftlich unter
ihr stand und es nicht wert war, daß man mir einen Platz im
Wohnzimmer anbot - wie irgendein Handwerker. Ich nahm eine Ausgabe von Harper’s Bazaar von einem der Küchenstühle, legte sie auf den Tisch und setzte mich.
Melissa ging zu der Theke hinüber, auf der einer
dieser hypermodernen Entsafter stand, die alles und jedes in
flüssiges Nichts verwandeln können, sogar Blechdosen, wenn
man die Brühe damit anreichern möchte. Neben diesem
neumodischen Apparat lagen Orangen, Karotten und Früchte, die ich
für Mangos hielt, säuberlich aufgereiht und warteten darauf,
geschlachtet zu werden. Sie fing an, die Orangen in Viertel zu
schneiden und ignorierte mich immer noch total. Ich wartete schweigend.
Dann wandte sie sich den Karotten zu. Keine von uns sagte ein Wort.
Schließlich legte sie das Messer angeekelt auf die Theke und
setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
»Sie waren also in seiner Wohnung«, sagte sie bitter und ein wenig furchtsam.
»Ja. Und ich habe das Video angeschaut.«
Sie saß aufrecht auf ihrem Stuhl. Ich konnte
sehen, wie sie versuchte, sich zusammenzunehmen. Sie blickte auf ihre
Hände, die auf der Tischplatte lagen, wie um ihnen das Zittern zu
verbieten.
»Es stimmt also nicht, daß Sie Peter
Dobrynin in den letzten drei Jahren seines Lebens nicht gesehen haben?
Sie haben gelogen, als Sie das behauptet haben.«
Ihre Augen funkelten. »Natürlich habe ich
Sie angelogen. Ich bin Ihnen schließlich keine Rechenschaft
schuldig.«
Ich lächelte leise. »Bitte, sprechen Sie weiter«, sagte ich.
»Mein Gott, was soll ich Ihnen denn
erzählen? Daß ich einmal die Woche da hingegangen bin? Ja,
das habe ich getan. Manchmal auch öfter. Daß ich mit ihm ins
Bett gegangen bin? Natürlich bin ich mit ihm ins Bett gegangen. So
- reicht Ihnen das?«
»Sie haben noch etwas anderes getan«, sagte ich. »Sie haben getanzt.«
»Ja«, gab sie gereizt zu, »aber nur
einmal ... jedenfalls so. Er hat mich dazu überredet.«
Plötzlich verschränkte sie die Arme vor der Brust, als ob ihr
kalt sei. Dann beugte sie sich vor, und ihr Gesicht hatte
plötzlich den Ausdruck eines Kindes, das bei seiner Mutter um
etwas quengelt.
»Bitte, geben Sie mir die Kassette. Ich zahle, was Sie wollen. Bitte!«
Es war mir unangenehm, daß sie mir Geld anbot.
Aber sie hatte gute Gründe für ihren Versuch, mich zum
Schweigen zu bringen. Die Polizei hätte sicherlich
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