Eine Katze hinter den Kulissen
Doktor, »das
ist ein Teil seiner Wahnvorstellungen, ein sehr wichtiger Teil. Mr.
Massine denkt, daß er von einem riesenhaften Kater verfolgt wird,
der ihn jagt, um sich an ihm zu rächen. Warum, hat er nie gesagt.
Aber die Rache soll anscheinend in Form von Kastration erfolgen.«
»Au«, murmelte Tony. Er nahm mir die
Zeichnung aus der Hand und gab sie Dr. Newmark zurück, der
bemerkte: »Dieser vermeintliche Verfolger von Mr. Massine hat
auch einen Namen, eine sehr komischen Namen, aber er fällt mir
nicht mehr ein.«
Ich hatte Angst, den Namen auszusprechen, aber ich
kannte ihn. Ja, ich kannte den Namen. Ich schloß die Augen und
sah ihn vor mir, in roten Buchstaben auf dem Leichenwagen vor der
Kirche. »Anna Pawlowa Smith«, sagte ich leise.
»Ja. Woher wissen Sie das?« fragte Dr.
Newmark. »Ich fand den Namen immer ziemlich merkwürdig
für eine Katze, noch dazu für einen Kater.«
Als wir gingen, sagte Dr. Newmark: »Wissen Sie,
der Name Leonid Massine ist mir immer irgendwie bekannt vorgekommen.
Warum, weiß ich nicht.«
Ich gab keine Antwort.
Tony nahm meinen Arm, als wir am Schwesternzimmer vorbeigingen.
»Was ist los mir dir, Alice? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
Ich konnte kaum sprechen, kaum gehen, kaum denken. Das Puzzle war auseinandergefallen - meine ganze Arbeit.
»Wir haben einen furchtbaren Fehler gemacht,
Tony. Vol Teak hat Peter Dobrynin nicht umgebracht.« Mehr brachte
ich nicht heraus.
In dieser Nacht blieb Tony bei mir in meiner Wohnung.
Aber es war eine schlaflose, unruhige Nacht ohne Liebe für mich.
Gegen halb fünf Uhr morgens stand ich auf und machte Kaffee. Ich
ging mit der Tasse ins Wohnzimmer und legte mich zu dem verbannten
Bushy auf den Boden.
Tony kam zu uns ins Wohnzimmer, als es gerade hell
wurde. Er setzte sich neben mich und sagte: »Du machst dich wegen
nichts und wieder nichts verrückt, Alice. Glaub mir, nichts von
dem, was wir im Krankenhaus erfahren haben, hat irgendwas mit der
Realität zu tun.«
Ich brachte es fertig ihn anzulächeln. »Dobrynins Wahnvorstellungen waren seine Realität, Tony.«
»Was soll das heißen?«
»Das werden wir beide hoffentlich bald
herausfinden. Ich will dir erklären, wo ich mich geirrt habe - wo
wir alle uns geirrt haben. Die ganze Logik unserer Ermittlungen war
falsch. Wir haben uns auf die Symptome konzentriert, nicht auf die
Ursachen. Wir haben uns auf Dobrynins Obdachlosenjahre konzentriert,
auf die letzten drei Jahre seines Lebens, während wir uns auf die
Zeit, bevor er Lenny, der Penner, wurde, hätten konzentrieren
müssen. Verstehst du, was ich sagen will, Tony? Wir haben ein
gutes Drehbuch verschandelt. Wir haben den falschen Darstellern die
falschen Kostüme angezogen.«
»Ich hab ja schon gesagt, daß du eine
akademische Ader hast, Alice. Ich verstehe kein Wort von dem, was du da
faselst. Vergiß diesen ganzen Mist von wegen ›Logik der
Ermittlungen‹. Sag mir lieber, was mit dir los ist. Wir haben
also alle einen Fehler gemacht. Na gut, nehmen wir das mal an. Aber wer
hat Dobrynin getötet?«
Ich beschloß, meine Vermutungen erst mal
für mich zu behalten, denn was mir im Moment durch den Kopf ging
war wirklich sehr merkwürdig ..., nachgerade unglaublich. Es
würde das Beste sein, einfach weiterzumachen, nichts zu sagen und
zu tun, was getan werden mußte. Ich wußte, daß ich
vorsichtig würde sein müssen. Ich konnte niemandem mehr
trauen, komischerweise auch nicht mir selbst.
»Tony, ich brauche deine Hilfe. Denk noch mal
an alles, was du von Dobrynin weißt und was wir im Krankenhaus
erfahren haben. Ich rede von der Zeit, als er noch getanzt hat, bevor
er ausgestiegen ist und sich in seine verrückte Welt
zurückgezogen hat. Was hat deiner Meinung nach sein Leben
ausgemacht?«
»Frauen, Sex.«
»Und was noch?«
»Alkohol.«
»Würdest du ihn als Alkoholiker bezeichnen?«
»Wenn er keiner war, dann weiß ich nicht,
wer einer sein soll. Er hat doch anscheinend die ganze Zeit in Bars,
Cafés oder auf Partys rumgehangen. Wahrscheinlich hat er sich in
seine Psychose hineingetrunken. Aber du weißt ja, was man
über Russen und Alkohol sagt.«
»Er war nur zur Hälfte Russe. Aber was
seinen Alkoholkonsum betrifft, bin ich deiner Meinung. Und jetzt sag
mal, haben Alkoholiker nicht in der Regel eine oder mehrere
Stammkneipen?«
»Ja.«
»Und was waren Dobrynins Stammkneipen? Welche
Barkeeper kennen ihn? Wer hat ihm zu trinken gegeben, auch wenn er
gerade kein Geld hatte? Wer hat ihm
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