Eine Katze hinter den Kulissen
auf dem Balkon erschoß. Und
dann hat sie ihm die Schuhe ausgezogen, als Zeichen höchster
Verachtung für seine Kunst, für seine
Tänzerfüße, und ihn barfuß sterben lassen,
schutzlos, genau wie er Splat der kalten Großstadt ausgeliefert
hatte.
Und es gab noch einen weiteren, endgültigen
Racheakt. Sie hat irgend jemanden - höchstwahrscheinlich einen der
Obdachlosen aus der Gegend um das Lincoln Center - dafür bezahlt,
den Namen auf den Leichenwagen zu schreiben, der Peter Dobrynin zu
seinem Grab bringen sollte. Als ob sie Dobrynin noch einmal den Grund
für seine Beerdigung klarmachen wolle.
Ich habe keinen Zweifel daran, daß Lucia mindestens ebenso verrückt ist wie ihr ehemaliger Liebhaber.«
»Aber was ist mit Basil?« warf Tony ein.
»Er hat doch gestanden, daß Vol Teak den Mord geplant
hatte.«
»Nein, Tony. Es war nicht ganz so. Er hat
gesagt, er wisse nichts über den Mord an sich, nur, daß Vol
Teak ihn dafür bezahlt hatte, Lenny ins Theater zu bringen. Aber
Basil hätte angesichts der Dinge, mit denen Frank Brodsky ihn
bedroht hat, alles mögliche gestanden. Er hat nur gesagt, was wir
von ihm hören wollten. «
In der Zwischenzeit hatte die Krankenschwester sich
gesetzt und hörte meiner Zusammenfassung genauso interessiert zu
wie Tony. Er stand auf und schenkte uns allen Wasser ein.
»Wie hast du das alles herausgefunden? Wie lange hast du darüber nachgedacht?«
»Nicht besonders lange. Die Sache hat ihre
eigene Dramaturgie entwickelt. Aber es war Dobrynins fürchterliche
Zeichnung der Katze, die mir letztlich den Anstoß gegeben hat,
alles zusammenzusetzen: die Vorstellung eines Katzenungeheuers, das ihn
verfolgte, daß er streunende Katzen mit russischen Delikatessen
fütterte, seine nackten Füße.«
»Ich habe die Zeichnung im Krankenhaus doch
auch gesehen«, sagte Tony. »Und mir ist nichts besonderes
daran aufgefallen, außer, daß sie total verrückt
war.«
»Mir ist zuerst auch nichts aufgefallen. Aber
dann wurde mir klar, daß Dobrynin eine Main-Coon-Katze gezeichnet
hatte. Und Lucias Splat gehörte zu dieser Rasse - wie Bushy.«
Tony sah die schweigende Krankenschwester an, die
deutlich sichtbar zusammenzuckte, als er fragte: »Und was machen
wir jetzt mit ... ihr?«
Ich seufzte tief. »Es tut mir wirklich
leid«, sagte ich und wandte mich an die Pflegerin, »aber
wir werden Sie brauchen, wenn wir dem Detective, der Lucia damals
festgenommen hat, den Scheck bringen.« Dann sagte ich zu Tony:
»Der, der gezwungen war, sie wieder laufenzulassen, dank unserer
brillanten Arbeit.«
»Soviel zum Thema Genialität«, sagte er.
Bushy rieb sich am Bein der Krankenschwester und
forderte ihre Bewunderung. Aber er bekam keine: Die Pflegerin schien
auf einem weit entfernten Planeten zu sein.
25
Um ein Uhr nachts standen Tony, die Krankenschwester
aus Haiti (die übrigens Madeline hieß) und ich unangemeldet
vor Frank Brodskys Haus.
Ich hatte mich ursprünglich eigentlich direkt an
die Polizei wenden wollen, aber dann war mir klar geworden, daß
ich es meinem Auftraggeber schuldig war, ihn zuerst von den
Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Und ich hegte die Hoffnung, es ihm
überlassen zu können, der Polizei die Fakten zu
präsentieren und alle losen Fäden zusammenzuknüpfen.
Er empfing uns im Bademantel. Offensichtlich hatten
wir ihn geweckt, aber er war wie immer Gentleman und führte uns
die Treppen hinauf in sein kleines, elegantes Besprechungszimmer. Er
entschuldigte sich dafür, uns keinen Kaffee anbieten zu
können, aber er bemühte sich sehr und servierte jedem ein
glitzerndes Kristallglas mit Mineralwasser.
Tony, Madeline und ich setzten uns an den Tisch. Frank Brodsky blieb stehen.
Ich begann, meine Geschichte in allen Einzelheiten zu
erzählten, und schloß mit der Falle, in die Madeline geraten
war und die, mit all dem anderen Belastungsmaterial, eindeutig bewies,
daß Lucia Maury Peter Dobrynin wirklich umgebracht hatte.
Der Anwalt unterbrach mich nicht einmal. Ab und zu ging er um den Tisch herum, aber er setzte sich nicht und sagte kein Wort.
Als ich mit meinem Vortrag fertig war, war es kurz nach zwei Uhr nachts. Ich trank einige Schluck Wasser und wartete.
Ziemlich lange zeigte Frank Brodsky keine Reaktion.
Er betrachtete eines seiner Gemälde, dann einige Kratzer an einem
Stuhlbein, dann einen kleinen Fleck an der Decke. Schließlich
ließ er sich in seinen Sessel sinken, der am Ende des langen,
schönen Tisches stand.
»Sie sehen sehr müde aus, Miss
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