Eine kostbare Affäre: Roman (German Edition)
eigentlich ...« Henry hatte sie noch nie Flo genannt, und Flora war sich nicht ganz sicher, ob es ihr gefiel. Normalerweise ließ sie sich diesen Kosenamen nur von Freunden und Verwandten gefallen. »... eigentlich bin ich ziemlich müde.«
»Unsinn. Sie brauchen etwas, das Ihnen hilft, wieder runterzukommen. Und wenn Sie so weit sind, fahre ich Sie zurück und stecke Sie ins Bett. Ich werde Ihnen sogar eine heiße Schokolade zubereiten.«
Als er ein wenig näher an sie heranrückte, wurde Flora bewusst, dass er getrunken hatte, was sonst gar nicht seine Gewohnheit war. »Wirklich, Henry, ich möchte lieber nicht mitkommen. Ich bin fix und fertig.«
Henry wirkte zunehmend gereizt. »Geben Sie sich einen Ruck! Ich habe Ihrem verdammten Chor mein Haus zur Verfügung gestellt, und Sie wollen nicht mal ein Glas Brandy mit mir trinken?«
Flora atmete tief durch. Sie war sich nicht sicher, wie sie mit der Situation fertig werden sollte, aber dann stand plötzlich Charles neben ihnen.
»Ich werde Flora nach Hause bringen«, sagte er kühl.
»Nicht nötig«, antwortete Henry. »Sie müssen sich um Ihre Verlobte kümmern - wie war noch gleich der Name? Annabelle. Flora und ich müssen uns anderen Dingen widmen.«
Mittlerweile gab es keinen Zweifel mehr daran, welche Dinge er im Sinn hatte, und Flora fühlte sich zunehmend unwohl. Sie hatte deutlich gemacht, dass sie von Henry nichts anderes wollte als Freundschaft, und seit dem Abend im »Grantly Manor« hatte sie darauf geachtet, nicht einmal mehr mit ihm zu flirten.
»Flora kommt mit mir«, erklärte Charles und klang sehr entschlossen.
Flora beobachtete die beiden Männer, die hoch aufgerichtet voreinander standen, und schwieg. Sie wusste nicht, was sie hätte sagen sollen.
»Sie ist meine Freundin«, behauptete Henry, der jetzt langsam wirklich wütend wurde.
»Sie ist meine Cousine, und ich bringe sie nach Hause.«
Flora verfolgte den Wortwechsel mit wachsender Furcht. Dies war keineswegs das erste Mal, dass Männer sich um das Privileg stritten, sie nach Hause bringen zu dürfen, aber normalerweise gerieten solche Situationen nicht derart außer Kontrolle.
»Ich denke, die Beziehung zwischen uns ist wichtiger als irgendeine entfernte Blutsverwandtschaft, meinen Sie nicht auch, Flora?«
»Ich ...«, begann sie.
»Ich glaube nicht ...«, begann Henry.
»Ach, seien Sie doch still«, fuhr Charles auf und versetzte Henry einen Hieb auf die Nase.
Floras erste Regung war Erleichterung darüber, dass niemand in der Nähe war, der beobachten konnte, wie Henry sich seine nunmehr blutige Nase hielt. Das zweite Gefühl, das in ihr aufstieg, war eine Mischung aus Erregung und Entsetzen, als Charles sie am Ellbogen fasste und vom Schauplatz des Verbrechens wegführte.
»Es tut mir so leid, Flora«, versicherte er, als sie schließlich vor seinem Wagen standen.
»Entschuldigen Sie sich nicht bei mir! Ich bin nicht diejenige, der Sie eine blutige Nase verpasst haben.«
»Ich konnte ihm nicht gestatten, Sie nach Hause zu fahren. Er hat getrunken, und nach dem, was zwischen Ihnen und Justin vorgefallen ist - nun ja, ich konnte nicht zulassen, dass es noch einmal passiert.«
»Zwischen mir und Justin ...?« Für einen Moment hatte Flora Justin vollkommen vergessen.
»Ja, als er ... als er Sie belästigt hat, weil er Sie zum Essen ausgeführt hatte. Henry hatte offensichtlich das Gefühl, Sie seien ihm etwas schuldig.«
Flora fand ebenfalls, dass sie Henry etwas schuldig war, aber gewiss nicht die freie Verfügung über ihren Körper. »Doch was ist mit Annabelle und William?«
»Oh, Himmel! Einen Moment lang hatte ich die beiden ganz vergessen - ich meine, ich hatte William vergessen.« Eine Regung, die Flora nicht einordnen konnte, glitt über Charles' Züge.
»Nun, jetzt können Sie unmöglich wieder reingehen und nach den beiden suchen«, bemerkte Flora und brachte es fertig, das nervöse Gelächter, das in ihr aufstieg, zu unterdrücken. »Aber ich kann mich wirklich von jemand anderem nach Hause bringen lassen ...«
»Wohl kaum.« Charles' Mundwinkel begannen zu zucken. »Ich werde Annabelle übers Handy anrufen.«
Als er sein Telefon aus der Tasche nahm, fragte Flora: »Aber was wollen Sie ihr sagen?«
»Hi«, meinte er da schon aufgeräumt. »Flora ist müde, und ich werde sie nach Hause fahren. Kommst du allein zurück? Oder willst du im Pub warten, bis ich dich abholen kann? Braves Mädchen. Schön. Gute Nacht, Schätzchen.«
Er legte auf.
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