Eine kostbare Affäre: Roman (German Edition)
schnell vor!«, bat Flora ihn aus dem hinteren Teil des Raums. Sie hatte die Cafeteria im Stich gelassen und beschlossen, dass die nächsten Kunden sich ihren Tee selbst nehmen konnten. Sämtliche Brötchen waren bereits verkauft.
Virginia trat neben sie. »Geoffrey kommt als Nächster an die Reihe, dann sind Sie dran.«
»Aber wo zum Teufel bleibt Charles?«, flüsterte Flora. »Sein Termin war um zwölf, und jetzt ist es halb zwei. Er müsste mittlerweile längst wieder zurück sein!«
»Hören Sie auf, darüber zu spekulieren, wo Charles steckt, und konzentrieren Sie sich einfach auf Ihre Arbeit. Ich gehe jede Wette ein, dass Sie, wenn Sie von dem Podest herunterkommen, keinen größeren Wunsch haben werden, als wieder hinaufzugehen.«
Geoffrey hatte entweder nur wenige Lose zu verkaufen, oder aber die Zeit, die er dafür benötigte, verging so schnell, dass Flora es kaum mitbekam. Er war eben fertig geworden, da fasste Virginia Flora auch schon am Arm und führte sie in den vorderen Teil des Raums.
»Sie werden das schon schaffen«, versicherte Louisa, als Flora mit zitternden Beinen auf das Podest stieg.
Geoffrey zwinkerte ihr zu. »Das hier werden Sie brauchen«, meinte er und drückte ihr einen kleinen Hammer in die Hand. »Er gehört Charles. Ich sollte dafür sorgen, dass Sie ihn bekommen.«
Flora umklammerte den Hammer wie einen Talisman, als könnte sie auf diese Weise die jahrelange Erfahrung heraufbeschwören, die er in Charles' Händen gewonnen hatte. Im gleichen Augenblick wurde ihr klar, dass Charles von Anfang an nicht die Absicht gehabt hatte, pünktlich zurück zu sein, entweder wegen des Zahnarztes oder weil er glaubte, es sei eine gute Erfahrung für sie. Sie liebte und hasste ihn im selben Herzschlag.
Plötzlich musste sie an eine Schulaufführung denken, bei der sie als Ansagerin fungiert hatte; damals hatte man ihr beigebracht, wie sie trotz ihrer großen Angst die Aufmerksamkeit des Publikums fesseln konnte. Sie dachte an ihren Schauspielunterricht, in dessen Verlauf sie gelernt hatte, sich in eine Rolle hineinzudenken. Sie dachte an Charles, für den sie ihr Bestes geben wollte. Aber sie tat dies hier nicht nur für Charles, sondern auch für Geoffrey und Edie und alle anderen, die sie so liebevoll und herzlich aufgenommen hatten. Schließlich sah sie in das Hauptbuch, das sie vor sich liegen hatte, blickte kurz zu dem Porter hinüber, der das nächste zur Versteigerung bestimmte Buch hochhielt, damit alle es sehen konnten, und holte tief Luft. Sie wartete, bis sie sich sicher war, dass alle anderen im Raum sie ansahen. Dann lächelte sie - so tapfer, wie es ihr unter diesen Umständen möglich war - und begann.
»Hier habe ich ein schönes Exemplar von The Caine Mutiny von Herman Wouk, eine ansprechende Ausgabe in gutem Zustand. Wer gibt das erste Gebot ab? Höre ich hundert Pfund? Nein? Dann fünfzig, ja! Fünfzig Pfund sind geboten. Fünfundfünfzig? Ja? Und Sie, Madam ...«
Schon bald wurde sie von der Stimmung im Saal mitgerissen. Sie fühlte sich wie ein Jongleur, der versuchte, alle Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Es überraschte sie, wie schnell sie lernte, die Bieter zu identifizieren und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Virginia bediente eins der beiden Telefone, und die Gelassenheit der älteren Frau stärkte Flora zusätzlich den Rücken.
Als sie etwa die Hälfte der Bücher abgearbeitet hatte, bemerkte sie Charles, der im hinteren Teil des Raums stand. Aber sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, welche Gefühle sein Erscheinen in ihr auslöste; sie war einfach zu beschäftigt mit der Auktion.
Wenn sie befürchtete, dass ihre Stimme versagen könnte, trank sie rasch einen Schluck Wasser, und als Geoffrey schließlich aufs Podest kam, um sie zu erlösen, stellte sie fest, dass sie vollkommen erschöpft war.
»Ich dachte, Sie könnten die Bücher nicht verkaufen, weil es gegen die Berufsethik verstoße«, sagte sie zu ihm, während er darauf wartete, dass sie ihren Stuhl freimachte.
»Meine Bücher sind alle verkauft. Wissen Sie, dass Sie über zwanzigtausend Pfund für mich herausgeschlagen haben?«
»Wirklich? Mir ist aufgefallen, dass wir teilweise gute Preise erzielt haben, weit über den Schätzungen, aber ich wusste natürlich nicht, wie viele der Bücher Ihnen gehörten.«
»Jetzt gehen Sie und trinken Sie eine Tasse Tee. Das haben Sie sich wahrhaftig verdient.«
Floras Knie gaben beinahe unter ihr nach, als sie vom Podest stieg, und die
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