Eine Liebe auf Korfu
Wie seltsam, hier zu sitzen und sich bedienen zu lassen, in der Gesellschaft eines Gentlemans …
„Ich möchte nicht über meine englischen Verwandten sprechen – falls ich welche habe“, erklärte sie mit sanfter Stimme.
„Also gut.“ Er winkte dem Kellner, um noch etwas zu bestellen. „Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?“
„Ja …“ Alessa zögerte kurz. „Vielleicht werde ich nicht antworten.“
„Ich wollte nur wissen, ob Sie immer die Landestracht tragen.“
„Ja, seit ich mit meinem Vater von einer Insel zur anderen fuhr. Da die Franzosen mich für eine Bäuerin hielten, beachteten sie mich nicht. Jetzt gilt das auch für die Engländer. Außerdem fällt mir in dieser Kleidung die Arbeit viel leichter.“
„Tatsächlich?“ Einen Ellbogen auf den Tisch gestützt, legte er sein Kinn in die Hand. „Warum?“
„In dieser Bluse und dem weiten Rock kann ich mich un gehindert bewegen.“ Um das zu demonstrieren, hob und senkte sie die Schultern. „Und da ich kein Schnürmieder trage … Oh!“ Denk doch nach, bevor du redest!
„Hm – ich verstehe.“ Anerkennend musterte er die Rundungen unter ihrer Bluse, die von keiner Verschnürung beengt wurden. Dann betrachtete er wieder ihr Gesicht. „Wie reizend Sie erröten …“
„Danke.“ Mit ihrem Versuch, würdevoll zu wirken, amüsierte sie ihn, und er lächelte. Neben einem seiner Mundwinkel erschien ein Grübchen und weckte den ungehörigen Wunsch, seine sinnlichen Lippen zu küssen. Sekundenlang schloss sie die Augen und brachte ihre unwillkommenen Gefühle unter Kontrolle. „Natürlich verzichte ich auf gewisse Einzelheiten der hiesigen Tracht – zum Beispiel die Hörner einer Kuh.“
„Die Hörner einer Kuh? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“
„Keineswegs. Die Korfiotinnen vom Lande flechten ihr Haar, stecken es hoch und befestigen zwei Hörner darin. Dann legen sie ein Kopftuch darüber.“
Benedict beugte sich vor und ergriff ihre Hand. „Würden Sie mir etwas versprechen?“
„Was? Keine Hörner zu tragen?“ Sie müsste ihm ihre Hand entziehen, das wäre ratsam und schicklich. Aber die Berührung seiner warmen, sanften Finger wirkte so wundervoll – sein Daumen, der über ihren Puls strich, fast hypnotisch.
„Ja – oh, verdammt!“ Benedict ließ ihre Hand los, als hätte er sich verbrannt. „Da kommen Lady Trevick und ihre Töchter.“
Gefolgt von einem Lakaien, der mehrere Pakete trug, schlenderten die Damen die Arkaden entlang. Alessa kannte sie nicht persönlich, nur vom Sehen, aber sie wusste genau, was sie unter ihren eleganten Kleidern trugen, da sie regelmäßig für ihre Wäsche sorgte. „Was stört Sie so sehr daran, Benedict?“
„Schieben Sie Ihren Hut tiefer in die Stirn, damit sie Ihr Gesicht nicht sehen“, flüsterte er.
„Warum?“ Erstaunt gehorchte sie. Dann erriet sie seine Beweggründe. Seine Lordschaft wollte sich nicht mit einer Wäscherin blicken lassen. Aus Snobismus? Oder machte er einer der Misses Trevick den Hof? So oder so, diese Gesinnung degradierte sein Hilfsangebot zu verwerflicher Heuchelei.
Stocksteif saß sie da, die Hände auf dem Tisch gefaltet, und hoffte, die Damen würden vorbeigehen, ohne den Earl zu entdecken. Er starrte reglos in seine Kaffeetasse, offensichtlich bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Schließlich hob er den Kopf. „Gott sein Dank, jetzt sind sie weg.“
„Wirklich? Und warum erleichtert Sie das so sehr?“ Alessa schob ihren Hut wieder zurück und stand auf. Geräuschvoll klirrten die Stuhlbeine auf dem Steinboden der Terrasse. „Finden Sie es beschämend, wenn Sie zusammen mit einer Einheimischen gesehen werden? Fürchten Sie, jemand könnte falsche Schlüsse ziehen? Glauben Sie, Lady Trevick würde einen Schock erleiden? Was für ein elender Heuchler Sie sind, Sir!“
Ohne ein weiteres Wort ergriff sie ihren Korb und eilte die Stufen hinab, ehe Benedict aufstehen konnte. Neugierig starrten ihr die anderen Gäste nach.
Benedict trat auf die Straße und hielt nach einem breitrandigen Strohhut Ausschau. Ohne Erfolg. Sie war verschwun den. Oh, verdammt …
„Signore?“ Der Kellner lief zu ihm, teils entzückt über das kleine Drama, teils von der Angst erfüllt, der Gast könnte sich entfernen, ohne zu bezahlen.
„Da.“ Benedict drückte ihm ein paar Münzen in die Hand. Dann kehrte er zum Tisch zurück, holte seinen Hut und den Gehstock. So würdevoll wie möglich humpelte er die Treppe hinab.
Bei seiner Bitte,
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