Eine Liebe in Paris
aus einer Seitenstraße der
Place du Parvis
. Wolff beugte sich ans Fahrerfenster und sagte ihm, wohin er fahren sollte.
»Woher kennst du die Adresse so genau?«, fragte ich ihn erstaunt.
»Marie ist doch mein Modell. Da weiß ich doch, wo sie wohnt.«
»Natürlich, das hatte ich vergessen.«
»Adieu, jetzt, kleine Ava. Gute Nacht,
ma Princesse
. Deine Kutsche wird wieder zum Kürbis. Ich hoffe, dein Fuß heilt.«
»
Au revoir, Jean-Loup
.«
»Wolff«, verbesserte er mich augenblicklich, ehe er lachte und sagte: »Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.«
»Du hast es mit den Märchen, nicht wahr?«
»Ja. Das Leben ist ein Märchen.«
»Deins ja. Du bist noch so jung und hast schon so viel geschafft. Wie machst du das?«
»Schh…« Er küsste mich noch einmal und half mir in das Taxi. »Ruf mich an«, sagte er und schloss die Tür. Ich nickte und ehe ich fragen konnte: »Ja, wie denn? Ich habe doch nicht mal deine Nummer«, fuhr der Taxifahrer an. Ich sah Wolff noch winken, dann warf er sich seine Jacke lässig über die Schultern und schlenderte über die leere
Place du Parvis
davon. Die Kutsche wurde vielleicht zum Kürbis, aber mein Prinz blieb ein Prinz, dachte ich und sank in die Sitze des Wagens. Das Brennen in meinem Inneren erschreckte mich: Ich wollte wieder bei Wolff sein, in seinen Armen und nirgendwo sonst auf dieser Welt. Da sah man doch, wie schön und überraschend das Leben sein konnte, wenn man auch nach Mittwoch noch Einladungen für das Wochenende annahm. Ha, Camille würde Augen machen, wenn ich ihr morgen davon erzählte. Nicht alles natürlich, denn der Kuss im kleinen Park unterhalb der
Pont Neuf
ging sie ja nun wirklich nichts an. Aber doch genug, um sie eifersüchtig zumachen und um ihr zu zeigen, wie albern ihre Benimmregeln waren. Vorvorletztes Jahrhundert, wenn nicht gerade Steinzeit!
Und wann würde ich Wolff wiedersehen? Ich biss mir auf die Lippen. Ob ich da mit dem »Schön« über die Wasserspeier etwas Dummes gesagt hatte? Vielleicht hielt er mich jetzt für eine Möchtegernkünstlerin. Hoffentlich
wollte
er mich überhaupt wiedersehen. Er hatte »
Adieu
« und nicht »
Au revoir
« gesagt, oder? Was bedeutete das? Und er hatte mich wieder nicht nach meiner Telefonnummer gefragt, so ein Mist. Wie konnte er das vergessen? Wahrscheinlich war er ebenso von diesem Abend aufgewühlt wie ich selber. Ich musste unbedingt seine Telefonnummer haben, unbedingt, entschied ich, als mein Taxi schon die
Rue de Rennes
hoch dem
Tour Mont-parnasse
entgegenfuhr. Aber wie nur? Ich kannte nicht mal seinen vollständigen Namen, geschweige denn seine Adresse.
Als ich am Morgen erwachte, dachte ich sofort wieder an Wolff und griff nach meinem Handy, um zu sehen, ob er mir geschrieben hatte. Natürlich nicht, denn wie sollte er auch, so ganz ohne mich nach meiner Nummer zu fragen? Ich hatte einfach auf ein Wunder gehofft. Ich seufzte und drehte mich auf den Rücken, sodass ich bequem aus dem Oberlicht in den Pariser Himmel blicken konnte. Als ich die Knie anzog und daran dachte, wie er mich geküsst hatte, wurde mir heiß, und gleichzeitig hatte ich plötzlich Gänsehaut auf den Armen, sodass ich mir die Decke höher zog. Meine Hände strichen meine Schienbeine entlang und dann weiter nach oben. Was, wenn er jetzt bei mir wäre oder ich bei ihm im Atelier, in dem er auch wohnte? Meine Finger glitten zu meiner geheimen Stelle. Ich schloss die Augen und dachte dabei an Wolff, an seine Hände und seine Lippen, die mich so zärtlich und doch voller Verlangen berührt hatten, und mein Atem ging schneller.
Es begann zu regnen und die Tropfen trommelten auf die Scheibe. Was war, wenn ich ihn nie, nie wiedersah?
Wolff und Ava, was für ein schönes Paar, dachte ich gerade, als mein Handy piepste und ich vor Eifer fast aus dem Bettfiel, als ich danach griff.
1 Nachricht Mogens
, sagte mir die Anzeige, und ich drückte lustlos auf den Knopf, um sie aufzurufen.
Schade, dass es nicht geklappt hat. Wir könnten jetzt zusammen auf den Champs-Élysées frühstücken. Hab dich lieb, Mogens
.
Auf den
Champs-Élysées
frühstückten wirklich nur die Touristen, dachte ich, verabschiedete die Nachricht in den Mülleimer und griff nach meiner Armbanduhr. Es war beinahe zehn Uhr morgens. Camille hatte ich wohl schon verpasst und konnte ihr so leider nicht gleich triumphierend von meinem Abend berichten. Aber ich konnte ja an die
Opéra
fahren und sie abholen. Allerdings erst nach dem
Weitere Kostenlose Bücher