Eine Liebe in Paris
anzuschauen. Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie die Wahrheit erfuhr. »Ich habe nur ihren Schmuck im Badezimmer liegen sehen«, sagte ich leise.
Camille stellte ihre Tasse vor Schreck neben den Unterteller und ihr Blick senkte sich in meinen.
»Ach so«, sagte sie nach einer Weile, die wie eine Ewigkeit schien. »Ach so.«
»Camille …« begann ich und meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Es ist nicht meine Schuld. Ich mache wirklich alles falsch. Und du hast recht, ich bringe euer ganzes Leben durcheinander. Es ist furchtbar.«
»Nein, Ava, du täuschst dich. Du musst mir nichts erklären. Ich weiß es schon lange, auch wenn ich es nicht wissen wollte. Mein Vater weiß es ebenfalls, auch wenn er nichts wissen will. Wolff ist nicht der Erste, mit dem
Maman
eine Affäre hat. Aber er ist der Erste, der sich meiner Mutter
und
meiner Freundin gegenüber schlecht benimmt.«
Sie kramte nach ihrem Geldbeutel und legte einige Münzen auf den Tisch. Ich sah zu, wie sie sich zum Gehen bereit machte.
»Ich fühle mich so furchtbar. Wie könnt ihr mir verzeihen? Ihr nehmt mich so freundlich in eurer Familie auf und was mache ich …?«
Camille stand auf, sah mich nachdenklich an und sagte nach einer kurzen Pause: »Weißt du, was du machst? Du machst etwas Gutes.«
»Wie denn das?«, fragte ich und erhob mich ebenfalls.
»Du machst allen Lügen ein Ende.«
»Bist du nicht erschrocken?«, fragte ich. Hatte ich denn nicht ihre heile, wunderbare Welt zerstört?
Camille lächelte bitter. »Papa und ich, wir wissen schon sehr lange, was los ist. Vielleicht liegt es daran, wie Mama ist, dass sie ihr Leben und all ihre Entscheidungen so sehr bereut. Dabei könnte sie es so schön haben und hat doch im Grunde auch alles richtig gemacht.«
Ich nickte. »Allerdings. Trotzdem … wenn ich das über meine Mutter erfahren müsste …«
Camille seufzte. »Vielleicht liegt es auch an Paris. Diese Stadt ist ein Schnellkurs im Erwachsenwerden in Sachen Leben und Liebe.«
Ich sah sie nachdenklich an.
Camille nickte. »Simone de Beauvoir hat recht, wenn sie sagt, dass man zur Frau nicht geboren, sondern erzogen wird.«
»Ich glaube,
du
hast mich in den letzten drei Wochen erzogen«, erwiderte ich mit einem Lächeln.
»Quatsch.«
»Doch«, beharrte ich. »Wolff wollte mich nie wirklich. Es war nur ein Spiel, ein Flirt für ihn. Du hattest schon recht mit der zu späten Einladung zur
Vernissage
, mit meinen Anrufen und mit meiner Entscheidung, einfach so und ungebeten bei ihm auf der Matte zu stehen.«
Sie fasste mich unter. »Lass uns gehen.«
»Wo willst du hin?«
»Wo wollen
wir
hin, meinst du wohl. Du hattest deine Rache schon, Ava. Bravo für die Zahnbürste und das
Eau de Toilette
. Aber jetzt bin ich an der Reihe.«
»Wo willst du hin?«, fragte ich wieder.
»Der Metzger und die Post schließen gleich. Wir müssen uns beeilen.«
»Der Metzger und die Post? Was willst du denn mit denen?«
»Das wirst du gleich sehen«, sagte sie mit grimmiger Entschlossenheit.
Sie machte vor einem der ersten Fleischer halt. Große, mit Muskeln bepackte Männer, die bodenlange und mit Blut beschmierte Schürzen trugen, verpackten gerade ihre Ware in Kühlwagen. Der Markt war gleich vorbei und das Fleisch sollte bis Montag frisch bleiben.
»Haben Sie Schweinefüße?«, fragte Camille den Metzger, der mit seinem langen orangenen Schnurrbart aussah wie Obelix.
»Ich selber nicht, aber hier sind noch welche.« Der Mann lachte und holte drei Schweinefüße hervor.
Ich musste beim Anblick der Klauen und Knorpel würgen. Was, um Gottes willen, machte man denn mit diesem ekelhaften Zeug? Wer hätte gedacht, dass Schweine richtige Fußnägel hatten?
»Die beiden schmecken noch gut in Aspik«, sagte der Metzger gerade und zeigte auf zwei der Füße, aber beim Anblick des dritten schüttelte er den Kopf. »Dieser hier taugt nur noch für Suppe, wenn überhaupt.«
Camille griff nach dem Schweinefuß, auf den er zuletzt gezeigt hatte. »Ich nehme den.«
»Bist du dir sicher,
Mademoiselle?
Wenn ich ihn mir so ansehe, dann verkaufe ich ihn lieber nicht mehr. Das Fleisch riecht nicht gut.«
»Das ist mir gerade recht«, sagte Camille, und der Metzger schwieg überrascht. »Ich meine, der Fuß ist für meinen Hund. Der mag seine Schweinefüße so.«
»Ach ja? Nun ja, jeder wie er will.« Der Metzger zuckte mit den Achseln. »Aber verlangen kann ich dafür nichts. Nimm ihn als Geschenk.« Damit reichte er Camille noch eine Tüte
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