Eine Liebe in Paris
und packte dann weiter sein Fleisch in den Kühlwagen.
»Danke.
Au revoir, Monsieur
«, sagte Camille und steckte den ekligen Schweinefuß in die Tüte.
Er roch wirklich nicht gut, und ich musste ein Würgen unterdrücken, als ich fragte: »Was hast du denn damit vor? Du hast doch gar keinen Hund. Und außerdem sieht das Ding so ekelhaft aus, dass nicht mal ein Hund daran noch Gefallen fände.«
»Ein Hund nicht, aber vielleicht ein Wolf. Komm, wir gehen zur Post. Die ist gleich hier ums Eck.«
In der Post kaufte Camille den größten wattierten Umschlag, den sie finden konnte, und verpackte den Fuß sorgsam.
»Kennst du Wolffs Adresse?«, fragte sie mich dann.
»Ja. Zwölf,
Rue du Pavé
im dritten
Arrondissement
.«
»Gut.« Sie zückte ihren Kugelschreiber und schrieb die Adresse auf den Umschlag, ehe sie damit zum Schalter ging. Die Frau, die hinter der Glasscheibe saß, blickte auf.
»Wie kann ich helfen,
Mademoiselle?
«
»Dieser Umschlag hier geht in die
Rue du Pavé
«, sagte Camille.
Die Frau sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist schon spät. Vor Montagmorgen wird das nicht mehr abgeholt.«
Camille lächelte lieblich. »Das macht nichts. Wir haben keine Eile.« Sie wollte schon den Umschlag unter der Scheibe durchschieben, als sie noch sagte: »Moment mal. Ich habe den Absender vergessen.«
Ich sah ihr zu, wie sie selbstbewusst
Camille Lefebvre
auf die Absenderzeilen schrieb.
»Keine Feigheit vor dem Feind. Er soll doch wissen, von wem das schöne Paket stammt«, sagte sie mit todernster Miene, zahlte das Porto, und erst als wir wieder draußen waren, löste sich ihr Pokergesicht in hilfloses Lachen auf. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die nächste Hauswand und lachte, lachte, lachte, wie ich sie noch nicht hatte lachen sehen. Als sie sich die Tränen aus den Augen wischte, konnte ich nicht anders, als mit ihr zu lachen. Sie legte ihren Arm um meine Schulter, stützte sich auf mich und schnappte nach Luft. »Was meinst du, wie der Fuß stinkt, wenn er am Dienstag bei Wolff ankommt.«
»Die Rache ist mein, sagt der Herr.«
»Und die Rache ist auch mein, sagt die Frau«, erwiderte Camille, hängte sich bei mir ein und sagte plötzlich ernst: »Lass uns jetzt nach Hause gehen. Ich bin sicher, Mama kommt gleich. Sie braucht uns jetzt.«
»Was ist, wenn deine Eltern sich trennen?«
»Lass uns gehen. Beeil dich«, antwortete sie und ihr Gesicht war bleich geworden.
Es war schon dunkel, als wir in
Montparnasse
ankamen, und wir schwiegen den gesamten Weg über, von der
Métro
bis hin zu dem hohen Tor zur Einfahrt. Camille gab den Code ein und es öffnete sich lautlos. Beide Autos der Lefebvres, sowohl sein alter Mercedes als auch ihr Mini, waren im Hof geparkt. Der Mini, in den ich Marie Lefebvre vor drei Wochen in der Nähe des
Place des Vosges
, nicht weit von Wolffs Wohnung, so erstaunlich schön und gelöst aussehend, hatte einsteigen sehen. Es schien ein Leben her und eine Welt von diesem Abend entfernt. Ich hielt kurz inne und Camille drehte sich zu mir um. Sie fasste meine Hand und ich drückte ihre Finger.
»Hab keine Angst. Das war schon lange überfällig«, sagte sie.
»Was wird es für deine Eltern bedeuten? Und für dich?«
Camille biss die Zähne zusammen. »Lass uns hineingehen«, sagte sie dann.
Was, wenn Henri sich von Marie trennte? Was, wenn Camilles ganze Welt in Stücke zerfiel? Mir wurde kalt vor Schreck. Ich folgte ihr langsamer und wäre überall auf derWelt lieber hingegangen als in dieses Haus, das mir wie die Höhle des Löwen vorkam, und mein Herz sank mit jedem Schritt quer über den Hof tiefer in Richtung Magen.
Camille schloss die Tür auf und ich folgte ihr in den Gang. Alles war still, und nur unter der geschlossenen Tür, die in den Salon führte, drang ein Lichtstrahl in die Dunkelheit. Ich hielt den Atem an und lauschte. Aus dem Salon waren leise Stimmen zu vernehmen.
»Sie sind im Salon«, formte Camille mit ihren Lippen und ich nickte stumm.
»Komm«, flüsterte sie und zog mich an die Tür. Sie legte ihr Ohr an das Holz, und ihr Blick suchte meinen, als sie ihren Finger auf die Lippen legte. Ich nickte wieder. Es ging nun für sie um alles. Dann richtete sie sich auf, atmete tief durch und klopfte an.
»
Oui?
«, ertönte Henri Lefebvres Stimme dumpf.
Mir stockte der Atem. Welcher Anblick erwartete uns dort drinnen? Ein gebrochener Mann? Marie, die ihre Koffer gepackt hatte und die zu Wolff ziehen wollte? War das nicht die Gelegenheit, auf die sie so
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