Eine Liebe in Paris
schön und auch zu teuer gewesen.
Dann wusste ich die Antwort: Ich wollte endlich das erste Bild malen, seitdem ich in Paris war. Ganz hinten im Kleiderschrank fand ich meinen Skizzenblock, der mir kaum Inspiration bieten konnte. Daneben waren die Acrylfarben und Pinsel, die ich gleich an meinem ersten Wochenende hier gekauft hatte. Es würde schon klappen. Alles, was ich tun musste, war, meinen Fingern und mir selber zu vertrauen. Ich wählte Tube um Tube aus und presste etwas von ihren Farben auf die Palette. Es war, als erweckte ich das alte Holz zum Leben und als ob es mir sagte, was ich zu tun hatte. Ich atmete mit dem Herzen und sah mit meinen Fingerspitzen, der Pinsel war nichts als eine Verlängerung meiner Augen. Und so malte ich wie im Rausch bis spät in die Nacht hinein und bis alles im Haus der Lefebvres schon lange schlief. Was das Bild darstellte, darf ich nicht verraten – es war eine kleine Leinwand, die gut in meinen Koffer passen würde. Ich kann nur sagen, dass alle Gefühle und alle Gedanken in dieses Bild flossen und dass sie meine Finger und Farben diktierten. Ich denke, es war
La Passion
selber, die mich in jener Nacht trieb.
Am nächsten Tag klingelte gegen Mittag mein Handy und weckte mich auf. Ich tastete mürrisch und blind vor Müdigkeit danach: Wer rief mich denn in aller Herrgottsfrühe an?
Mogens
, sagte die Anzeige wieder einmal, doch ich schalteteihn weder auf leise, noch ließ ich ihn einfach auf meine Mailbox sprechen. Mogens hätte mich nie einfach so vor seiner Tür stehen lassen und Mogens hatte auch keine leeren Champagnergläser bei sich im Zimmer, wenn ich ihn besuchte.
»Hallo, Mogens«, meldete ich mich deshalb so freundlich wie möglich.
»Du klingst ja heiser«, sagte er fröhlich. »Guten Morgen, Ava.«
»Morgen«, entgegnete ich.
»Wart ihr gestern Abend aus?«
»Nein, nein«, sagte ich ausweichend. »Ich habe gemalt.«
»Was hast du denn gemalt? Paris? Oder ein Stillleben?«
»Hm. Das will ich lieber nicht sagen. Ist sehr persönlich.«
»Zu persönlich für mich?«
»Ach, Mogens …«
»Na, vielleicht zeigst du es mir später mal?«
»Hm, ja vielleicht.«
Wir beide schwiegen einen Augenblick lang, dann räusperte sich Mogens.
»Ava, in einer Woche bist du schon wieder da.«
Oh Gott, er hatte recht. In genau einer Woche, an einem Sonntagabend Ende September, einen Monat vor meinem siebzehnten Geburtstag, saß ich schon wieder im Flieger. Aber dass dieser Monat in Paris vergangen war, ohne Spuren zu hinterlassen, konnte man kaum sagen, dachte ich und lachte in mich hinein. Na also, ich konnte schon wieder lachen.
Paris und Camille hatten mich ein Stück erwachsen gemacht, und dazu gehörte auch, meine Gefühle beim Namen zu nennen. Ich war nicht in Wolff verliebt gewesen und ich hatte jetzt auch keinen Liebeskummer. Alles, woran ich gelitten hatte, war verletzte Eitelkeit, und das war so leicht heilbar wie kaum eine andere Krankheit.
»Ava? Hörst du mir zu?«
»Jaja, natürlich.«
»Ich will dich Sonntag vom Flughafen abholen. Deine Mutter konnte ihren Rückflug erst am Montag buchen. Und ich habe eine Überraschung für dich.«
»Was denn?« Ich gähnte und drehte mich auf den Rücken.
»Am Wochenende danach spielen
Neige de Juilliet
in München und ich habe Karten für sie besorgt. Freust du dich? Das will ich dir zum Geburtstag schenken.«
»Lieber nicht, Mogens«, sagte ich, ohne nachzudenken, und aus dem Handy kam nichts als ein verletztes Schweigen. »Ich meine, ich habe mich an der Musik hier ein wenig überhört. Sie dröhnt einem wirklich aus jedem Schuhgeschäft entgegen, verstehst du? Lass uns etwas anderes überlegen, okay?«
»Okay«, sagte er enttäuscht.
»Oder du gehst einfach mit jemand anderem hin. Bloß weil ich die Musik nicht mehr mag, kann sie dir doch weiter gefallen, oder? Wir sind schließlich noch immer zwei verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Geschmäckern.«
Mogens’ Schweigen sagte mir deutlich, was er von dieser Lösung hielt, und so fragte ich mit einem Seufzen: »Mogens,ich bin ziemlich kaputt und würde gern noch ein wenig schlafen. Was hast du heute noch vor?«
»Ich fahre zum Angeln und heute Abend treffe ich Max am Odeon.«
»Petri Heil und grüß Max von mir, ja? Ich rufe dich gegen Mitte der Woche an, wenn ich weiß, wann genau ich ankomme.«
»Aber, Ava …«
Ehe er noch etwas sagen konnte, hatte ich unser Gespräch unterbrochen.
Als ich am Montagmorgen aufwachte, schien die Sonne, und
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