Eine Liebe wie Magie
Kerzenlicht durch die hohen Fenster des Ballsaals, über ihm schickte der Mond ein verschwommenes Licht hinter dem Silberschleier der Wolken hervor.
Lady Augusta war nirgendwo zu sehen.
Noah folgte dem steinernen Geländer zu einer kleinen Treppe, die zu den hinteren Gartenanlagen führte. Griechische und römische Statuen beobachteten ihn, als er leise dem einsamen
Weg folgte. Es war dunkel, doch der Mond spendete genug Licht, um die Richtung zu erkennen. Er sah sie immer noch nicht.
Dann glaubte er, irgendwo vor sich Schritte auf dem Gartenpfad zu hören, Schritte, zu leise für Stiefel. Aber für Damenschuhe?
Als Noah ihnen folgte, wußte er nicht, was er sagen würde, wenn er sie fände. Er wußte noch nicht einmal, weswegen er dieses Verlangen hatte, sie zu sehen, ihr gegenüberzustehen, nur einmal in ihre treulosen Augen zu blicken und sie wissen zu lassen, daß sie nicht ganz ungestraft davongekommen war. War sie hier, um einen Liebhaber zu treffen? Denn welchen Grund sollte eine Dame sonst haben, sich alleine aus einem Festsaal fortzustehlen. War es der Mann, mit dem sie Tony betrogen hatte? Oder nur der nächste auserwählte Narr? Hinter einer Kurve, die mit einer Hecke aus Taglilien umsäumt war, sah er sie. Sie stand nur wenige Meter von ihm entfernt, und bei ihr war ein Mann. Sie standen am Ende des engen Pfades, einsam bei den herabhängenden Ästen einer stattlichen Ulme. Das Mondlicht schien zwischen den Wolken hindurch und schimmerte wie hellblaues Eis auf ihrem dunklen Haar. Sie stand ein Stück hinter dem Mann und sah auf dessen Rücken, während er offensichtlich die Sterne über der hohen Gartenmauer studierte.
Noah blieb hinter ihnen zurück, und kam sich ein bißchen wie ein Narr vor, doch er war nicht fähig, umzukehren und zu gehen, obwohl er wußte, daß er es besser tun sollte. Alles, was er sah, würde ihn nur noch wütender machen und Tonys Tod nur noch so viel sinnloser. Dennoch mußte er sich dabei ertappen, wie er unbewußt einen Bogen schlug, um in den Schatten und unter den kunstvoll beschnittenen Bäumen der Herzogin bessere Deckung zu finden.
Lady Augusta hatte diesmal eine gute Wahl getroffen; statt eines kleinen Vicomte, wie Tony es war, hatte sie nun einen
Grafen, und auch noch den äußerst vornehmen, schwerreichen Tobias Millford, Graf von Belgrace. Obwohl der Mann ihr Vater sein könnte, hatte er nie geheiratet und daher auch keine Kinder, die im Wege sein könnten. Er war mittelgroß und trug strapazierfähige Kleidung. Auf dem Kopf trug er sein eigenes, pfeffergraues Haar. Ein hochangesehener Tory, dessen Gesundheit nie so war, daß man sie als robust hätte bezeichnen können, denn er litt an Atemproblemen, weswegen er sich nur ungern in der Gesellschaft zeigte. Selbst jetzt, nur ein kurzes Stück entfernt, konnte Noah sein Keuchen hören, als hätte er gerade einen Dauerlauf hinter sich.
»Mylord?« Noah hörte Lady Augusta leise hinter dem Grafen rufen. Ihre Stimme war sanft, sie klang überhaupt nicht unangenehm. Noah schlich vorsichtig näher.
Belgrace wandte sich von seinen Sternenstudien ab. »Sie sind es, Lady Augusta.«
Also kannten sie sich bereits.
»Mylord«. Sie trat näher an den Grafen heran. »Ich hatte auf einen privaten Moment mit Ihnen gehofft. Ich wollte Ihnen schon seit einiger Zeit etwas von großer Wichtigkeit mitteilen.« »Ist es Cyrus? Ist ihm etwas zugestoßen?«
»Nein, Mylord, nichts dergleichen. Meinem Vater geht es ausgezeichnet. Erst letzte Woche habe ich einen Brief von ihm erhalten.«
Oh, die Dame hatte wirklich die Unverfrorenheit, sich an einen Freund ihres Vaters heranzumachen.
Die Unterhaltung stockte, weil ein weiteres Paar den Gartenpfad hinter ihnen entlang kam. Noah erkannte die Dame als eine Gräfin, die mit seiner Mutter bekannt gewesen war.
Den Mann, der sie begleitete und der in ihr Ohr flüsterte, kannte er nicht, doch jedenfalls war es nicht ihr Ehemann. Die beiden schlugen eine andere Richtung ein und blieben nur kurze Zeit später stehen, um sich selbstvergessen gegenseitig Zärtlichkeiten zuzuflüstern.
Selbst auf diese Entfernung schien Lady Augusta nicht riskieren zu können, daß das, was sie zu sagen hatte, gehört werden würde, denn sie trat noch einen Schritt an den Grafen heran.
Noah schob sich vorsichtig entlang einer blühenden Hecke näher, als sie gerade sagte: »Ich würde Sie gerne in einer privaten Angelegenheit sprechen. Es geht um sie sah sich unsicher um, »—mich.«
Die Gräfin und ihr
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