Eine magische Begegnung
gewusst, dass es keine gute Idee war, “sie selbst” zu sein.
“Ich darf also nicht mit Fluffy reden?”
Dieses Mal antwortete er, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. “Nein, Sie dürfen nicht mit Fluffy reden. Auch nicht mit Erika.” Er sah sie streng an. “Oder mit Roscoe.”
Tanner hatte alle möglichen Aspekte bedacht. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Er wollte nicht, dass Erika mit dieser Sache etwas zu tun hatte. Weder mit Lili und ihren Unterhaltungen mit Tieren, noch mit Mord. Sie rechnete es ihm hoch an. Ja, das tat sie wirklich. Doch für sie selbst bedeutete es vor allem eins: Sie musste die Leiche allein finden.
Der Wind hatte – wie immer, wenn die Sonne unterging – aufgefrischt. Tanner kämpfte sich durch das Loch in der Hecke, durch das Erika und Roscoe immer schlüpften, wenn sie hinüber zu Wanetta gingen. Er fragte sich, wann es für sie alle Lilis und nicht mehr Wanettas Haus sein würde. Vielleicht nie, denn Wanetta hatte hier schon gelebt, als Lili noch gar nicht auf der Welt war.
Mit Lili zu verhandeln war so ähnlich, als würde man eine Zweigstelle in einem fremden Land aufbauen. Die Gesetze waren völlig andere, und es bedurfte monatelanger Erkundigungen.
Tanner wollte nicht behaupten, dass er Lili hundertprozentig
nicht
glaubte, dass Fluffy ihr von einem Mord erzählt hatte. Hundertprozentig konnte man sich im Leben nie sicher sein. Eine gewisse Skepsis war gesund. Aber die Chancen standen 99 Prozent gegen sie. Nicht, dass er Lili für völlig verquer gehalten hätte. Aber sie war eine Träumerin. In vielerlei Hinsicht war sie wie seine Frau. Wie Karen. Quirlig, liebenswert, fröhlich. Doch sie stand nicht mit beiden Beinen auf dem Boden. Viele Menschen machten sich aus verschiedenen Gründen selbst etwas vor. Er glaubte nicht, dass Lili einfach Lügen erzählte. Sie sah eben das, was sie sehen wollte, und aus irgendeinem Grund hatte sie sich in den Kopf gesetzt, dass Fluffy Zeuge eines Mordes war. Eines Mordes, in Großbuchstaben, unterstrichen und fett geschrieben. Möglicherweise kam sie sich dadurch wichtig oder gebraucht vor. Noch hatte er keine Ahnung, welchen Nutzen Lili für sich daraus zog. Es würde die besagten Monate dauern, es herauszufinden.
Welches emotionale Defizit Lili dadurch auszugleichen versuchte, ließ sich derzeit noch nicht sagen. Zwar hatte er sie während des Gesprächs eine Weile die Tierspezialistin spielen lassen, aber die Grenze musste dort gezogen werden, wo Erika ins Spiel kam. Seine Tochter durfte nicht darüber nachzudenken beginnen, ob ihr Kater gesehen hatte, wie ein Mensch ermordet worden war.
Als er vorhin zu Lili ging, hatte dies den Zweck gehabt, seine Tochter vor den Hirngespinsten einer dummen Frau zu beschützen. Keine Stunde später – und völlig bezaubert von Lilis Charme und Liebreiz – ging es nun hauptsächlich darum, Lili zu beschützen. Vor sich selbst.
Das würde nur gelingen, wenn er ihr ein Treffen mit Fluffy verbot.
Und das, obwohl er sich zu 99 Prozent sicher war, dass es keine Leiche gab. Vielleicht
weil
er sich zu 99 Prozent sicher war.
“Hier, Schätzchen, bitte sehr.” Manny stellte Lilis großen Cappuccino auf den Tresen und nahm den Fünfer, den sie hingelegt hatte.
Lili drückte den Deckel auf den Pappbecher und wischte mit einem Finger den Milchschaum weg, der aus dem kleinen Loch im Deckel gespritzt war. Sie leckte den Finger ab, denn kein Tröpfchen sollte vergeudet werden. Kein Freitag – oder irgendein anderer Tag – ließ sich ohne Coffee to go beginnen. In Benton gab es nur einen einzigen Coffee Shop, aber die Mädchen hinter dem Tresen im “Coffee Stain” machten den besten Cappuccino der Welt. Einen besseren als Manny – aber da er der Besitzer des Cafés war, würde sie das nie laut sagen.
Manny gab ihr das Wechselgeld und beugte sich dann vertraulich über die Theke. “Gibt es neuen Tratsch und Klatsch aus dem Königreich der Tiere?” Es hätte wohl ein Flüstern sein sollen, doch Manny war ein großer Mann und sein Flüstern ein lautes Brummen. Es gab ein Gerücht, dass er einmal eine große Nummer als Boxer gewesen war, bevor er das “Stain” vor ein paar Jahren hier eröffnet hatte. Die platt gedrückte Nase als Beweis war jedenfalls vorhanden. Sie hatte ihm Pug angeboten, Wanettas schwarz-weiße Katze mit dem zerknautschten Näschen. Lili war der Meinung, dass die beiden ein ideales Paar abgäben, doch Manny meinte, dass er für eine Katze zu wenig zu Hause sei. Lili hatte
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