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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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einen Teil seines Willens übertragen, in seinem Namen spendest du die Sündenvergebung.«
    Albert lachte leise in sich hinein, sein grauer Bart zitterte auf der Brust.
    »Einfaltspinsel!« knurrte er. »Freilich bin ich ein göttlicher Diener, aber wo steht geschrieben, daß der Herr seinen Knechten Treue schuldet? In euren Köpfen spukt umher, daß ich Gott mit meinen Entscheidungen, welcher Art auch immer sie seien, die Hände binde! Er ist schließlich allmächtig und allwissend. Vor Tausenden von Jahren hat er bereits darüber entschieden, was heute geschehen soll… Hebe dich hinweg, Jean, und auch du, Graf de Saxe. Der Meister möge endlich dieser Frau den Kopf abschlagen!«
    Was sollte ich machen! Ich ging zu dem Henker und sagte:
    »Tu deine Pflicht!«
    Er sah mich aufmerksam an. In den Kapuzenschlitzen blitzten unstet die Augen. »Sünde!« murmelte er.
    »Urteil nicht für andere!« erwiderte ich hart.
    Und es fiel der Kopf jener Frau… Die riesige Menschenmenge weinte, und einige meinten, daß Gott die Stadt Arras für diese grauenvolle Tat strafen würde.
    Nach diesem Ereignis schlug die Stimmung um. Man verwünschte jetzt nicht mehr David, sondern Albert. David im übrigen erwies sich als gnädig gegenüber der Stadt. Geraume Zeit nach jenem Vorkommnis vergab er der Hingerichteten ihre Sünden und erlöste sie damit aus der Hölle. Ich erinnere mich noch genau der Nacht, als Albert vom bischöflichen Beschluß erfuhr.
    »Da haben wir David, wie er leibt und lebt!« rief er aus. »Der engste Busenfreund des Herrgotts! Ich sehe schon, was da im Himmel losgeht: Sie melden Gott, daß der Bischof von Utrecht jenem Weib die Sünden nachgelassen hat. Ein Gelaufe durch die himmlischen Gemächer, lärmendes Getümmel und allgemeine Besorgnis. Der Herrgott untröstlich. ›Was für eine Fahrlässigkeit habe ich da begangen!‹ sagt er. ›Jetzt ist der Bischof von Utrecht vielleicht gar unzufrieden? Holt mir nur so rasch wie möglich dieses Weib aus der Hölle und überführt es ins Fegefeuer!‹ Und so tun das ein paar extra dazu bestellte Engel, und einer eilt nach Gent mit der demütigen Meldung, daß geschehen sei, wie der Herr Bischof zu entscheiden geruht habe. Aber was denn? Der Engel muß warten, weil Seine Herrlichkeit gerade mit einem Gastmahl oder mit einer Buhlerin beschäftigt ist… Dummköpfe, Dummköpfe, Dummköpfe! Sie bilden sich ein, Gott sei ihr Treuhänder oder Teilhaber oder eine streitende Partei. Aber haben sie ihn gesehen? Haben sie irgendwann einmal mit ihm gesprochen?«
    »Vater Albert«, erwiderte ich darauf, »es existieren gewisse Ordnungsprinzipien für unser Leben und unsere Erlösung. In der Macht des Bischofs steht es, im Namen Gottes zu handeln, und obschon es schwerfällt, hier eine Übereinkunft zu vermuten, so darf doch wohl angenommen werden, daß die Himmel von geistlichen Personen gewisse Entscheidungen verlangen, die mit den Lehren der Kirche in Einklang stehen…«
    »Die Lehre der Kirche stammt nur zu einem Teil von Gott, zum anderen Teil ist sie Menschenwerk«, unterbrach mich Albert.
    »Das ist schon wahr, Vater. Aber man darf doch nicht vergessen, daß ohne die besondere Gnade der Offenbarung die Kirche gar keine Gesetze aufzustellen vermöchte…«
    »Das ist etwas ganz anderes«, murmelte Albert. »Aber ich will nicht in diesem Maße mit dir meine Gedanken teilen.«
    Ehrlich gesagt, er hat damals wie ein Häretiker gesprochen. Aber sei’s, wie’s sei, er gehörte eben zu denjenigen, denen das Privileg verliehen war, dicht an der Häresiegrenze entlang zu balancieren. Allzu vertrauten Umgang pflegte er mit Gott, als daß nicht gewisse Zweifel in ihm hätten aufkeimen dürfen.
    Ich kehre zum Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Also – in der Stadt wütete die Pest. Die Tore waren fest verschlossen, jenseits der Mauern patrouillierten die Wachen, und wer sich mit der Absicht trug, in die Welt hinaus zu fliehen, bildete für sie ein leichtes Ziel. Die Bürger waren ungemein aufgebracht. Sie spürten ihre Verlassenheit und ihr Unglück um so härter, als sie sich in den Menschen getäuscht sahen, denen sie so lange vertraut hatten. Fürst David hatte sie mit einem undurchdringlichen Kordon umgeben, und obwohl er versuchte, das Los der Stadt durch Proviantzuteilungen zu erleichtern, untergruben doch die Räuberbanden seine guten Vorsätze. Albert aber hatte die Stadt verraten, als er der unglückseligen Kindesmörderin den Akt christlicher Barmherzigkeit

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