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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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halten uns nicht für etwas Besseres, Euer Herrlichkeit…«
    »Ja, freilich«, entgegnete äußerst scharf der Bischof und hieb mit der Hand auf die Tischplatte. »Ja, freilich, ihr hebt euer Anderssein hervor, indem ihr es euren bitteren Erfahrungen zur Last legt. Niemand unter der Sonne betont sein Anderssein, um sich zu demütigen; jeder tut es, um sich zu überheben! Aber da ihr nun einmal mit mir zu Tische sitzt und ich euch bewirte, bitte ich mir aus, daß mein Geschmack euer Geschmack, meine Zerstreuungen eure Zerstreuungen und meine Geringfügigkeit eure Geringfügigkeit sei…«
    »Wer sollte sich erdreisten, Eurer Herrlichkeit Geringfügigkeit vorzuwerfen?« rief ich verblüfft.
    »Oh, diese alle hier…«, antwortete der Fürstbischof und beschrieb mit dem Arm einen Bogen, der die Festgäste einschloß.
    David hatte sehr laut gesprochen, und viele hatten seine Rede vernommen. Man mag’s nicht glauben, aber damals schämte ich mich. Doch nicht für den Fürsten, für Arras schämte ich mich! Das Recht war schließlich auf Davids Seite. Nicht seiner Worte wegen, sondern weil er David war. Er war geboren worden, um recht zu haben. Und so begriff in jenem Augenblick die gesamte Tafelrunde, daß die Welt in ihr uraltes Bett zurückkehren würde. Der heilsame Status der göttlichen Gesetze machte unseren Zweifeln ein Ende. Nach einem Moment der Stille ertönten Rufe wie bei Festessen üblich, und schon bald waren alle übermütig und ausgelassen. Nur Albert blieb finster. Er hatte den Platz zur Rechten Davids inne, und jetzt neigte er sich zu ihm und sprach:
    »Fürst, wie grausam haßt du doch diese Stadt!«
    David aber entgegnete:
    »Ich hasse das Leiden, guter Vater.«
    Darauf Albert:
    »Das kommt heute auf eins heraus, Fürst!«
    Nun wiederum David:
    »Du hast ins Schwarze getroffen… Sei’s, wie’s sei! Also: Ich hasse Arras!«
    Und er brach in unbeschwertes Lachen aus, so als habe er sich endlich von etwas frei gemacht.

I M N AMEN DES V ATERS UND DES S OHNES UND DES H EILIGEN G EISTES. A MEN . Ich glaube nicht, daß David damals die Wahrheit gesagt hat. Eher wollte er wohl seiner Abneigung gegen Vater Albert Ausdruck verleihen, und daher sprach er Dinge aus, die diesen verletzen mußten. Es ist doch ganz und gar unmöglich, daß ein so großer Herr eine seiner Städte zusammen mit all ihren Bürgern hassen sollte. Ich schließe nicht aus, daß David die Bitternis und die Tiefe des von uns Erlittenen irritierten. Wie man es auch wenden mochte, wir waren nun einmal die am schwersten Geprüften unter allen Bewohnern Brabants, was im Gemüt des Bischofs Unruhe hervorrufen mochte, Unruhe und die Befürchtung, daß wir uns über andere erheben oder gar nach den Höhen greifen wollten, auf denen er selber weilte. Sollte das der Fall gewesen sein, so hatte sich David sehr geirrt. Denn gerade während des Gastmahls gelangten alle Bürger zu der Überzeugung, daß es gut war, in diesem starken, harten und lebensfrohen Mann einen Vater, Hirten und Herrscher zu haben. Ach, wie er uns damals gefiel!
    Spät in der Nacht, da die Gäste schon recht schläfrig waren, ließ der Fürst die Hofkomödianten in den Festsaal rufen, unter ihnen Sänger und Poeten, und auch ein Possenspiel sollte zur Aufführung gelangen, das zotig war und überaus ergötzlich. Als sie vor David standen, sagte er zu ihnen:
    »Was werdet ihr Uns präsentieren, meine lieben Freunde?«
    »Was Eure Herrlichkeit wünschen«, antworteten die Komödianten.
    Darauf David:
    »Ihr kennt mich, ich stelle keine Bedingungen. Entscheidet frei, wie das Brauch ist an meinem Hof.«
    Also spielten und sangen sie, wie es ihnen gefiel. Ich aber sagte damals zum Fürsten:
    »Eure Herrlichkeit ist sehr gnädig zu diesen Leuten. Bei uns pflegt das anders zuzugehen. Vater Albert hält diese Schar recht kurz.«
    David lachte hell und vergnügt.
    »Ich unterstütze die Künstler«, sagte er, »weil ich sie nicht fürchte. Ich verlange nichts von ihnen. Sie haben bei mir völlige Freiheit.«
    »Sicher sind sie froh darüber«, erwiderte ich.
    »Ach, wo denkst du hin!« rief David. »Das macht ihnen Angst, Jean. Sie sind weder des Tages noch der Stunde sicher, weil sie nicht wissen, was ich noch in Reserve halte, und immerzu verdächtigen sie mich irgendwelcher Ränke.«
    »Aber das sind doch Kindereien«, sagte ich, »schließlich hegt Ihr doch keine bösen Absichten gegen sie, mein Fürst!«
    David schwieg und sah mich ein wenig spöttisch an. Dann sagte er:

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