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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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ihren Plätzen und verließen den Saal.
    »Sollen sie ihrer Wege gehen«, sagte Albert. »Sie sind so große Herren, daß sie sich allein, ohne die Hilfe des Rates, um die Erlösung kümmern können.«
    Am Morgen des darauffolgenden Tages präsentierte die Stadt Arras der Gemeinde des Alten Bundes die Rechnung.
    Der erwachende Tag war ziemlich neblig und trübe, was um diese Jahreszeit eigentlich nicht erstaunen sollte. Und dennoch war es gerade der Nebel, der es bewirkte, daß die Leute geneigter waren als sonst, nach irgendwelchen Zusammenhängen mit der Zeit der Seuche zu suchen. Wie ich bereits erwähnt habe, war in jenem Jahr die Stadt unaufhörlich von Nebeln eingesponnen, und bei Tag war es zwar heiß, doch des Nachts überzog sich das Wasser in den flachen Brunnen mit einer dünnen Eisschicht. Aber schließlich war seinerzeit die Seuche im Frühjahr ausgebrochen, und jetzt war Herbst, und das, was damals seltsam anmuten mochte, mußte man um diese Jahreszeit als etwas ganz Normales ansehen. Doch die menschliche Natur ist im Grunde äußerst schlicht. Sie sucht unablässig und furchtsam nach Zeichen als Stütze für das Gewissen. Denn worauf beruht schließlich und endlich unser ganzes Leben, wenn nicht auf dem Verlangen, jede unserer Taten zu rechtfertigen? Da es die Stadt nun einmal für richtig befunden hatte, endgültig einen Schlußstrich unter die jüdischen Machenschaften zu ziehen und so Arras vor dem Satan zu bewahren, suchte ein jeder in seiner nächsten Umgebung nach einer Stütze, einer Hilfe, einer Ordnungsmaxime. Und keiner strebte zum Tempel des Herrn, so als ahnte man bereits, daß im Glauben selbst jene Rechtfertigung nicht mehr zu finden war. Der Glaube dauerte im Herzen fort, doch er war plötzlich verstummt, übertäubt von dem Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Mannestat.
    Bleich und kühl, wie in ein Tuch gehüllt, stand die Sonne über Arras. Wolkenfetzen segelten tief über die Stadtmauern dahin; man konnte glauben, Schwärme großer feindseliger Völker flögen uns entgegen. Man befahl, die Kirchenglocken zu läuten; die ganze Stadt hallte wider von ihrem dröhnenden Schlag. Aber an diesem Tag hatten selbst die Glocken einen sonderbaren Klang. Zum Beispiel die Glocke des heiligen Fiacrius: stets hatte sie rein und ehrwürdig geklungen, heute tönte sie dumpf und gepreßt, als leiste irgend etwas in ihr Widerstand. Die Glöckner berichteten später, daß beim ersten Schlag ein Schwarm Dohlen aus dem Glockenkelch geflogen sei; danach stürzten die Körper getöteter Vögel in die Tiefe herab. Das war ein sichtbarer Beweis dafür, daß finstere Mächte versucht hatten, die Glocke des heiligen Fiacrius zum Verstummen zu bringen.
    Noch bevor es Nachmittag geworden war, brannte der Jude Icchak wie eine Fackel.
    Menschen verschiedenen Standes traten an ihn heran, ruhig und voller Entschlossenheit. Es ging ohne Drohungen und Geschrei ab. Man erzählte mir nachher, daß die Gemeinde in aller Demut ihren Abgesandten ausgeliefert hatte. Er hatte sich in der Menge zum Richtplatz begeben, ohne den geringsten Widerstand zu leisten. Holz und Reisig wurden herbeigeschleppt und um einen Pfahl herum aufgeschichtet. Man band Icchak auf durchaus anständige Weise an den Pfahl, um ihm unnötiges Leiden zu ersparen. Sie legten ihm einen Strick um den Hals, aber lose, einen weiteren um Brust und Arme sowie um die Schienbeine. Als der Scheiterhaufen aufflammte, schwiegen die Leute – anders als sonst. Jeder war von dem Gedanken gefangengenommen, Zeuge des ungewöhnlichen Augenblicks zu sein, da der Teufel, seiner leiblichen Hülle ledig, in die Hölle zurückkehren muß. Eine furchtbare Stimme war aus den Flammen vernehmbar. Die einen behaupteten, die Stimme des Teufels erkannt zu haben, andere zweifelten daran. Was mich betrifft, so glaube ich, daß der gequälte Jude in der Stunde des Todes laut gerufen hat. Als der Scheiterhaufen erloschen war, besah man sich den Leichnam. Das war in der Tat eine Sehenswürdigkeit: der Jude war vom Feuer fast unberührt. Nur die Schuhe waren restlos verbrannt, die Kleidung, die zuvor schwarz gewesen war, hatte eine rötliche Färbung angenommen und war zerfallen; Bart- und Haupthaare waren verschwunden, waren restlos zu Asche geworden. Doch auf dem Körper hatten die Flammen keine Spuren hinterlassen; er wies nur merkwürdige rote Flecken auf, die darauf hinzudeuten schienen, daß sich aus dem Inneren dieses Menschen etwas zu befreien gesucht hatte. Die Haut war hier und

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