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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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Forderungen gestellt hätte, sie würden sie ihm nicht abgeschlagen haben. Ihn aber verlangte ja nur danach, seine hochmütige Exklusivität zu wahren.
    Man begann also mit der Beratung, und bevor noch die Mittagsstunde heranrückte, war der Fall bereits abgeschlossen oder – wenn man so will – offen für die Zukunft.
    Über Celus bemerkte Albert:
    »Es schickt sich nicht, mit aller Entschiedenheit zu behaupten, daß er es gewesen ist, der den Fluch auf das Haus des Damaszeners geschleudert hat. Und doch sollte es dem Rat nicht unbekannt bleiben, daß Vorjahren, während der großen Seuche, niemand anderes als ausgerechnet Celus die Stadt unter besonderen Umständen verlassen hat. Beinah sofort, nachdem die ersten Opfer zu verzeichnen gewesen waren, hatte er sich aus der Stadt entfernt. Einige Leute haben erzählt, daß er, als er zum Tor des heiligen Ägidius hinausging, seltsame Worte vor sich hinmurmelte, und nachdem er die Brücke überquert hatte, wandte er sich dreimal zur Stadt um, wobei er geheimnisvolle Zeichen machte. Unerforschlich sind die Ratschlüsse Gottes! Wir haben viel erduldet, und niemand hat um dieser Heimsuchung willen die Himmel gelästert. Denn jeder verstand, daß durch den Satan das Unglück auf Arras herabgestürzt ist. Gott ist mächtig, aber der Satan ist es auch. Wir mühen uns, aus der Stadt alles zu tilgen, was die Gegenwart höllischer Mächte begünstigen könnte. Aber es wäre lästerlich zu meinen, Arras gehöre ausschließlich Gott an. Die Stadt ist wie ein Schlachtfeld, wie ein Territorium um dessen Eroberung der Kampf zwischen Himmel und Hölle tobt. Gott hat hier seine Bundesgenossen, das ist gewiß… Aber hat nicht auch der Teufel die seinen? Und wer anders könnte in Arras Bundesgenosse und Söldling des Satans sein, wenn nicht die, die mit Gott nichts zu schaffen haben, die nicht den Lehren der heiligen Kirche gehorchen und sich verächtlich von den Sakramenten abwenden? Sollte der Satan sein Netz nicht am liebsten nach denen auswerfen, die die Nachfahren des pharisäischen Samens sind? Während in anderen Städten Brabants sowie des gesamten Herzogtums die Juden jeglicher Vorrechte beraubt sind, erfreuen sie sich bei uns häufig einer größeren Freiheit als wir selber. Denn wir, wir, neigen die Stirn vor den Geboten Gottes, sie aber beugen den Nacken nicht einmal vor den allerheiligsten Reliquien. Und trotzdem teilte während der Seuche Graf de Saxe die Nahrungsmittel einem jeden zu, ohne seiner Abkunft Beachtung zu schenken. Den Juden wurde weder Speise noch Schutz, ja nicht einmal ein anständiges Begräbnis verwehrt. Merkt auf, was daraus folgte! In Gent und Utrecht, wo die Sünde hundertmal verbreiteter ist als in Arras, kam es zu keinem Unglück. Wir aber sind bis auf den Grund hinabgesunken. Wo liegt die Ursache? Muß man nicht annehmen, daß wir in den Mauern unserer Stadt dem Satan zu hausen erlauben, daß wir ihm eine Schonung angedeihen lassen, die Gott mißfällt? Von uns sind so viele von Hunger und Pest dahingerafft worden, daß man mit dem Gräberschaufeln nicht nachkam. Und die Juden? Ich bestreite nicht, daß auch sie etliche Leute verloren. Aber wie anders… Man sagt, daß sie das ihrem Irrglauben verdankten. Sie hockten in ihren Häusern am Stadtrand, am Westtor, durch die Wache vom übrigen Teil der Stadt abgesondert. Und wenn man ihnen zu essen gab, vollführten sie besondere Kunststückchen, ehe sie sich entschlossen, das Dargereichte zu verzehren. Woher die Gewißheit, daß das nicht alles auf Geheiß des Teufels geschah? Woher die Gewißheit, daß sie nicht die Sendboten der Seuche waren, Sendboten, die der Satan zu retten beabsichtigte, um Arras später zu seiner Residenz zu machen? Stellt euch vor: die ganze Stadt ausgestorben und nur jene – jene Handvoll Teufelsverbündeter – gerettet! Die Kirchen besudelt, die Kreuze niedergetreten, die Tore von Arras weit offen für alles Unrecht…«
    Hier unterbrach Farias de Saxe Alberts Redeschwall:
    »Ehrwürdiger Vater«, sprach er laut und vernehmlich. »Jenen Leuten die Schuld am Ausbruch der Seuche aufzubürden, ist unrecht. Die Pest befällt bisweilen auch Städte, die nie eines Juden Fuß betreten hat. Nichts deutet darauf hin, daß sie die Verantwortung für das tragen, was wir erlebt haben.«
    Albert nickte.
    »Ich mache sie nicht zu Schuldigen«, sagte er sanft. »Ich behaupte nur, daß ein jeder zum Werkzeug des Satans werden kann. Und sollte es für den Teufel nicht leichter sein, eine

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