Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
Vom Netzwerk:
Herzog Philipp gegeben.«
    »Wie konnte er mir ein Schreiben geben, wenn er im Finstern saß, wo er weder Pergament noch Feder hatte?« rief ich aus.
    Der Wächter aber entgegnete:
    »Das weiß ich nicht. Doch ohne allen Zweifel hat er dir Schriften an Fürst David mitgegeben.«
    »Und wo sind sie jetzt? Soll man mir doch einen Beweis liefern!«
    »Ich hab in der Stadt gehört, daß sie verlorengegangen sind«, erwiderte der Wächter. »Und man weiß nicht, wo sie jetzt sind. Aber das weiß jeder, daß Graf de Saxe geschrieben hat und du die Briefe versteckt hast, um sie dem Fürstbischof auszuliefern.«
    »Woher wollt ihr das wissen?« schrie ich verzweifelt. »Überleg doch, Mensch! Kann man denn in einer Zelle, solcher wie dieser da, schreiben?«
    »Ich kann ja nicht schreiben«, versetzte er ruhig, »also weiß ich auch nicht, wie man so was macht. Aber der Graf hat geschrieben, und du, Herr, hast das Geschriebene versteckt…«
    Darauf ich:
    »Du bist ein Pferd. Bäum’ dich auf und wiehere, du bist doch ein Pferd.«
    »Ich bin kein Pferd«, sagte er.
    »Du irrst dich«, rief ich ärgerlich. »Die ganze Stadt weiß, daß du ein Pferd bist. Herr de Moyes hat dich zugeritten und für dich ein reichverziertes Pferdegeschirr angeschafft. Aber du warst störrisch, und so hat man dich in ein Gespann gegeben, und jetzt läufst du im Paar vor den Wagen mit Serge.«
    »Ich bin kein Pferd…«, stammelte der Wächter; ich aber sagte hart:
    »Beweis es!«
    Er stürzte aus meinem Kerker.
    Ich denke, daß er, als er sich auf der Straße, vor dem Rathaus, befand, loswieherte und davongaloppierte, geradewegs zum Schmied.
    Da wußte ich nun also, was der Rat für mich bereithielt. Für mich gab’s keine Rettung, und ich mußte mich mit dem Gedanken an den Tod vertraut machen. Aber ich fand Trost darin, daß mir Torturen erspart bleiben würden. Offenbar hatte Albert die Sache mit meiner geplanten Flucht verheimlicht. Ich lobte mich jetzt für die damals gezeigte Umsicht. Gut, daß ich mich vor dem Tor des heiligen Ägidius zurückgezogen hatte. Sie haben nur gewartet, bis ich aus dem Schatten hervorschleichen und einen Schritt auf die Mauern zu machen würde. Dann hätten sie mich gehabt. Und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hätte ich unbeschreibliche Martern erdulden müssen, während mir heute nur das Schwert drohte…
    Wieder verging eine Zeit. Ich hatte keine Ahnung, ob es früher Morgen, Tag, Abenddämmerung oder Nacht auf der Welt war. In meinem Verlies war es gleichbleibend dunkel und feucht. Daher fragte ich die Wächter, und sie gaben mir höflich Auskunft. Schließlich kam der Knecht, den sie Sol nannten und der einst bei mir gedient hatte, bevor ich ihn aufs Rathaus gab, und sagte:
    »Guter Herr, da bring ich dir ein sehr schmackhaftes Abendessen, denn heute nacht noch stehst du vor dem Rat, und wenn die Sonne aufgeht, legst du den Kopf unters Schwert. Dies ist deine letzte Nacht, darum werde ich sogleich für dich beten.«
    Und er ging und ließ mir ein reichliches Mahl zurück. Später erfuhr ich, daß meine Diener es zubereitet hatten, was zweifellos ein großer Beweis von Liebe und Mut war, da ähnliche Gesten in Arras nicht selten den Kopf kosteten.
    Ich rief die Wachen, und wir aßen gemeinsam. Es gab eine erlesene Pastete, geräucherten Schweineschinken von delikatester Zartheit und auch Wacholderdrosseln. Dazu eine bauchige Flasche Most sowie einen Krug Bier. Während wir aßen, sagte ich zu den Wächtern:
    »Also, meine guten Leute, morgen bei Sonnenaufgang bin ich schon bei Gott.«
    »So ist des Himmels Wille«, antwortete einer von ihnen.
    Und ich: »Aber ich meine, es wird damit nicht wenig Scherereien geben; der Meister der Stadt Arras hat ja ebenfalls den Kopf hinhalten müssen. Wer wird mir denn nun den Kopf abschlagen?« Worauf jener Mensch entgegnete:
    »Scherereien wird’s keine geben, weil ich heute beim Rat gewesen bin und gesagt habe, daß ich demütig darum bitte, Euer Wohlgeboren den Kopf abschlagen zu dürfen…«
    Ich erstickte fast an meiner Pastete, als er das sagte. Verwundert blickte ich ihn an.
    »Also du wirst das sein?«
    »Ja, Herr!«
    »Zeig den Arm!«
    Er erhob sich vom Boden, warf das Hemd ab und präsentierte seinen entblößten Oberkörper. Fürwahr, eine prachtvolle Gestalt! Ich betastete die mächtigen Muskelpakete, die sich unter der Haut spannten, und mich schauderte. Dann aber sagte ich: »Warum hast ausgerechnet du dich um diese Arbeit beworben? Kennst du

Weitere Kostenlose Bücher