Eine mörderische Hoch-zeit
Arm gebrochen.«
Roarke stand abrupt auf, ging quer durch das Zimmer und riss die Fenster auf. Er brauchte dringend frische Luft.
»Ich weiß nicht, ob ich ohnmächtig wurde, vielleicht ganz kurz. Aber auch wenn es sonst manchmal möglich war, konnte ich in dem Moment den Schmerz einfach nicht überwinden.«
»Ja«, sagte er tonlos. »Das kenne ich.«
»Es war einfach zu viel. Die Schmerzen rasten wie riesengroße schwarze Wellen durch meinen ganzen Körper. Und immer noch hörte er nicht auf. Plötzlich hatte ich das Messer in der Hand. Es war einfach da, lag einfach in meiner Hand. Ich habe damit auf ihn eingestochen.« Sie atmete bebend aus, als Roarke zu ihr zurückkam. »Ich habe auf ihn eingestochen, immer und immer wieder. Überall war Blut. Überall war der eklig süße Geruch von seinem Blut. Ich kroch unter ihm hervor. Eventuell war er schon tot, aber trotzdem habe ich immer weiter auf ihn eingestochen. Roarke, ich sehe genau vor mir, wie ich vor ihm knie, das Messer in der Hand, die Arme und das Gesicht voll mit seinem Blut. Und die Schmerzen, die bohrenden Schmerzen, die ich hatte. Ich konnte einfach nicht aufhören.«
Wer hätte das gekonnt?, fragte er sich. Wer hätte das gekonnt?
»Dann bin ich in eine Ecke gekrochen, um möglichst weit von ihm entfernt zu sein, denn ich wusste, wenn er aufstehen würde, brächte er mich endgültig um. Dann wurde ich offenbar ohnmächtig oder hatte einen Blackout, denn an mehr kann ich mich nicht erinnern, bis es plötzlich heller Tag war. Und immer noch hatte ich Schmerzen – grauenhafte Schmerzen, überall. Mir wurde schlecht. Ich musste brechen und als ich fertig war, habe ich ihn entdeckt. Habe ich ihn dort auf dem Boden liegen sehen.«
Er nahm ihre kalten, starren Finger. »Das ist genug, Eve.«
»Nein, lass mich zu Ende reden. Ich muss zu Ende reden.« Sie schleuderte die Worte hervor wie schwere Felsbrocken. »Ich habe ihn dort liegen sehen. Ich wusste, ich hatte ihn umgebracht, und sie würden kommen, um mich in eine Zelle zu werfen. Eine dunkle Zelle. Das hat er dauernd zu mir gesagt, wenn ich nicht brav war. Also ging ich ins Bad und wusch mir das Blut ab. Mein Arm – mein Arm tat höllisch weh, aber ich wollte nicht ins Gefängnis. Ich habe mich angezogen und alles, was mir gehörte, in eine Tasche getan. Ununterbrochen stellte ich mir vor, dass er aufstehen und sich auf mich stürzen würde, aber er blieb still. Also nahm ich aus seiner Jackentasche den Schlüssel, ließ ihn dort liegen, schlich mich aus dem Haus und lief ziellos durch die Gegend. Es war noch früh am Morgen. Es war kaum jemand auf der Straße. Die Tasche habe ich weggeworfen oder verloren. Ich kann mich nicht erinnern. Ich lief immer weiter, dann bog ich in eine dunkle Gasse und habe mich dort bis zum Anbruch der Dunkelheit versteckt.«
Sie fuhr sich mit einer Hand über den Mund. Auch daran konnte sie sich plötzlich wieder erinnern, an die Dunkelheit, an den Gestank, an die Angst, die stärker war als ihre Schmerzen. »Dann lief ich weiter, endlos weiter, bis ich nicht mehr konnte. Ich fand eine andere dunkle Gasse. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich dort gelegen habe, aber schließlich hat mich irgendwer gefunden. Bis dahin konnte ich mich an nichts mehr erinnern – weder an das, was passiert war, noch daran, wo ich war. Oder wer ich war. Bis heute kann ich mich nicht daran erinnern, wie ich heiße. Er hat mich nie mit meinem Namen angesprochen.«
»Dein Name ist Eve Dallas.« Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. »Und der Teil von deinem Leben ist endgültig vorbei. Du hast ihn überlebt, du hast ihn überwunden. Jetzt hast du dich daran erinnert, und damit ist es endgültig vorbei.«
»Roarke.« Sie blickte ihn an und wusste, nie in ihrem Leben hatte sie einen Menschen mehr geliebt, nie in ihrem Leben würde sie einen Menschen mehr lieben als ihn. »Nein, das ist es nicht. Ich muss mich dem stellen, was ich getan habe. Der Realität und ihren Konsequenzen. Ich kann dich jetzt nicht heiraten. Morgen werde ich meine Dienstmarke abgeben.«
»Was soll denn dieser Unsinn?«
»Ich habe meinen Vater umgebracht, verstehst du? In der Sache muss ermittelt werden. Selbst wenn ich am Ende freigesprochen werde, bleibt die Tatsache bestehen, dass meine Zulassung zur Polizeiakademie, meine ganze Karriere, auf einem Betrug aufbaut. Solange die Ermittlungen in meinem Fall nicht abgeschlossen sind, kann ich weder weiter als Polizistin arbeiten noch dich heiraten.« Sie erhob
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