Eine Nacht und tausend Geheimnisse
die Spielsucht seines Vaters noch die früheren finanziellen Probleme von HAMC waren ein Geheimnis. Man brauchte nur den Namen William Hightower in die Suchmaschine einzugeben, und schon hatte man die Fakten auf dem Monitor.
„Mein Vater hat ein Problem. Er ist spielsüchtig. Als er mir gestand, dass Zocken auf ihn die gleiche Wirkung habe wie Fliegen, wusste ich, ich musste damit aufhören. Denn sowie mein Vater landet, muss er sofort das nächste Spielkasino aufsuchen, um diese Art von Euphorie aufrechtzuerhalten. So hat er es wenigstens dargestellt. Und obwohl er wusste, dass er auf diese Weise das Unternehmen stark gefährdete, konnte er nichts dagegen tun.“
„Aber was hat das alles mit dir zu tun?“
„Ich will auf keinen Fall die gleichen Fehler machen.“
„Bist du denn ein Spieler?“
„Nein, aber ich kenne dieses rauschhafte Gefühl genau, das auch ihn beim Fliegen überkommt. Auch ich wurde süchtig danach und habe das Letzte aus den kleinen Maschinen herausgeholt, um meine Grenzen auszuloten. Und nicht nur das. Ich musste all die Sportarten ausprobieren, die in mir diesen Adrenalinkick auslösten … Fallschirmspringen, Bungeejumping, Drachenfliegen.“
Nachdenklich sah Paige ihn an. „Hattest du denn Schwierigkeiten, die Achterbahn zu verlassen? Wärst du gern noch mal und noch mal gefahren?“
„Nein.“
„Und wie war es gestern?“
„Auch nicht.“
„Wenn du durch ein Kasino gehst, juckt es dich dann in den Fingern, deine Kreditkarte herauszuholen und dich vor einen Automaten zu setzen?“
Worauf sie hinauswollte, war klar. Und da war auch etwas dran. Als er mit ihr durch die Kasinos gegangen war, hatte er die Automaten und Spieltische nicht einmal bemerkt, so sehr hatte sie seine ganze Aufmerksamkeit gefesselt. Ihre Energie und ihre freudige Erregung hatten ihn fasziniert. „So einfach ist das nicht, Paige.“
„Vielleicht doch. Wie alt bist du?“
„Vierunddreißig.“
„Das bedeutet, dass du das, was dir diesen Kick verschafft, seit gut zehn Jahren nicht mehr ausgeübt hast. Das sieht doch ganz danach aus, als hättest du die Willensschwäche deines Vaters nicht geerbt. Ich gebe zwar zu, dass deine Hobbys sich ein bisschen gefährlich anhören, aber meines Wissens durchleben alle Jugendlichen solch eine Phase, in der sie den eigenen Mut und die eigenen Grenzen testen wollen. Selbst Mädchen. Du kannst meine Eltern fragen, meine Schwestern und ich waren genauso. Das halte ich auch für völlig normal und für sehr viel besser, als wenn man in jungen Jahren schon immer den Weg des geringsten Widerstands geht.“
„Und wenn es bei mir aber nun doch anders ist? Das kann ich nicht riskieren.“
„Warum hast du dann diesen Beruf? Bist Chef einer Flugzeugflotte und darfst nicht fliegen? Das ist ja, als wenn jemand Gewichtsprobleme hat und ausgerechnet in einer Bäckerei arbeitet. Kannst du nicht was anderes machen?“
„Irgendjemand musste das Unternehmen doch wieder auf die Beine bringen, als mein Vater es beinahe ruiniert hätte.“
„Aber warum du? Warum nicht deine Schwestern oder dein Bruder? Waren sie damals noch zu jung?“
Offenbar hatte Brent ihr nicht erzählt, dass sie Zwillinge waren. „Mein Bruder und ich sind altersmäßig nicht weit auseinander, aber er hat nicht den Biss, um die Firma zu leiten. Und meine Schwestern waren noch zu jung. Außerdem hatte ich mein Studium gerade abgeschlossen und war ausreichend qualifiziert.“
„Hattest du denn immer die Absicht, später mal die Firma zu übernehmen?“
„Nein.“
„Was wolltest du denn werden? Doch sicher irgendwas mit Flugzeugen.“
„Ich wollte Pilot bei der Air Force werden.“
„Und kannst du das nicht immer noch? Oder bist du zu alt dafür?“
„Das hat nichts mit dem Alter zu tun, diese Phase in meinem Leben ist vorbei. Die Familie verlässt sich darauf, dass ich das Unternehmen erfolgreich führe. Und ich glaube nicht, dass du verstehst, worin das Problem bestand. Ich war bereit, mein Leben zu riskieren, nur um zu fliegen und dabei diesen Rausch zu empfinden.“
„Aber ist der Beruf eines Air-Force-Piloten so anders als der eines Polizisten oder Feuerwehrmannes? Sie alle müssen damit rechnen, bei der Ausübung ihres Jobs getötet zu werden. Und ich kann dir eins sagen: Die, die ich kenne, machen ihren Job nicht wegen des Geldes. Sie haben ihn sich ausgesucht, weil sie ihn für wichtig halten und weil sie die Gefahr lieben. Warum sollte es bei dir anders sein? Warum solltest du
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