Eine Nacht und tausend Geheimnisse
bin davon überzeugt, dass Frauen nicht treu sein können. Und ich habe keine Lust, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, mit wem meine Frau gerade im Bett liegt. Wenn sie nicht in meinem ist.“
„Wegen deiner Mutter?“
Er nickte und schenkte sich Wein nach. „Sie hat ständig Affären.“
„Wie schrecklich für dich. Ich kann mir so etwas gar nicht vorstellen. Meine Eltern sind seit sechsunddreißig Jahren verheiratet und leben schon ewig in unserer kleinen Stadt.“
„Und du vermisst dein Zuhause?“
„Ja.“ Sie senkte den Kopf. „Nicht nur die Eltern, auch die neugierigen Nachbarn, das einzige Kino und die wenigen Restaurants. Als ich hierher kam, glaubte ich, froh zu sein, das alles hinter mir lassen zu können. Aber so ist es nicht. Besonders meine Schwestern fehlen mir. Wir haben immer alles miteinander geteilt, und jetzt …“
„Aber warum gehst du dann nicht zurück nach North Carolina? Auch da gibt es Kongresshotels.“
„Aus mehreren Gründen. Die Stadt lebt vom Klatsch. Meine älteste Schwester Kelly wird immer die Ms. McCauley sein, die sich ein Kind hat andrehen lassen. Ich bin immer die arme Paige, die von ihrem langjährigen Freund sitzen gelassen wurde. Hinzu kommt, dass ich in meiner Familie immer alles richten musste. Wenn die Schwestern unglücklich waren, kamen sie zu mir und fragten mich um Rat. Und wenn dann trotzdem irgendetwas nicht klappte, war ich schuld. Sie mussten endlich anfangen, die Verantwortung für ihr Leben selbst zu übernehmen.“
„Und wenn sie Fehler machen?“
Paige hob den Kopf und sah Trent traurig an. „Dann müssen sie selbst dafür einstehen. Aber jetzt haben wir genug von mir geredet. Wie ist es bei dir? Hängst du an deinen Geschwistern?“
„Nicht sehr. Wir arbeiten zusammen, aber das ist auch schon so ziemlich alles.“
„Trefft ihr euch nie mal privat? Obwohl ihr in derselben Stadt wohnt?“
„Eigentlich nicht. Meine Schwester will das jetzt ändern, weil sie ein Kind erwartet, aber ich weiß nicht, ob ihr das gelingt.“
Paige glaubte ihren Ohren nicht trauen zu können. Gab es das wirklich? Dass jemandem die Familie gleichgültig war? Das konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Sie liebte die Eltern und die Schwestern von ganzem Herzen. Und dennoch hatte sie sie verlassen … Weil es für die Schwestern besser war, das hatte sie sich wenigstens eingeredet. Aber war das wirklich die Wahrheit?
Da hatte sie Trent Vorwürfe gemacht, weil er die beiden Dinge mied, die ihm im Leben besondere Freude machten, nämlich das Fliegen und das Achterbahnfahren. Und was hatte sie getan? Sie hatte das verlassen, was sie liebte. Verwirrt stand sie auf und ging zum Kühlschrank, um sich ein Glas Wasser zu holen. Vielleicht hatte sie zu viel Wein getrunken.
Als sie sich wieder umdrehte, sah sie, dass Trent ihr mit den Blicken gefolgt war. „Ist was?“
„Nein.“ Er lächelte. „Ich mag dich nur gern ansehen, wenn du dich bewegst. So selbstverständlich und unbefangen. Dabei kraftvoll und sexy.“
Sie wurde rot. „Wir mussten alle Ballettstunden nehmen. Unsere Mutter bestand darauf. Denn wir wuchsen eigentlich eher wie Jungs auf. Das hatte mit dem Laden zu tun. Werkzeuge, Angeln, Campingsachen, wir lernten sehr schnell, mit allem umzugehen.“ Sie rümpfte die Nase. „Bevor ich nach Las Vegas ging, haben mich meine Schwestern erst mal in einen Schönheitssalon geschickt.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du das nötig hattest. Du bist schön, Paige, glaub mir.“ Langsam musterte er sie von oben bis unten, stand dann auf und kam auf sie zu. „Sag mir, in welcher Hinsicht fehlt dir deine Familie? Was stört dich am meisten an der Tatsache, dass du nicht mehr bei ihr lebst?“
Seine Nähe verwirrte sie, und sie hatte Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum wollte er das wissen? Was ging es ihn an? Andererseits würde er ihre Familie sowieso nie kennenlernen, also konnte sie auch ruhig ehrlich sein. „Dass wir nur noch telefonieren können. Weil ich dann jedes Wort auf die Goldwaage legen muss.“
„Warum denn das?“
„Ich habe es mit der Wahrheit nicht so genau genommen und meinen Leuten erzählt, dass ich hier ein tolles, aufregendes Leben führe.“
„Warum?“ Jetzt stand Trent dicht vor ihr … und zog den Bademantelgürtel auf!
Paige schluckte. Sie verspürte ein erregendes Kribbeln, und die Brustspitzen zogen sich zusammen. „Weil … weil ich nicht wollte, dass sie mich bedauern. Deshalb habe ich
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