Eine Nacht wie Samt und Seide
die Stute seitlich den Hügel hinab, sodass sich das Trainingsfeld direkt unterhalb von ihr befand.
Wieder lauschte sie. Diesmal drangen die Rufe bis zu ihr. Sie schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
Vertraute melodische Worte in dem vertrauten Dialekt streichelten ihre Sinne.
Mit angehaltenem Atem öffnete sie die Augen und musterte hoffnungsvoll die Männer unten. Ein hochgewachsener Mann überwachte das Training. Harkness. Groß, dunkel und Furcht einflößend. Ihr Verstand spielte ihr keinen Streich - sie hatte Lord Cromartys Männer gefunden!
Mit aufgeregt klopfendem Herzen betrachtete sie die beiden Männer neben Harkness genauer. Keiner von ihnen war Russ. Sie wollte sich gerade die anderen Reiter ansehen, die im Kreis ritten - die sich wesentlich schwieriger studieren ließen, weil sie sich mit den Bewegungen ihrer Pferde im Sattel hoben und senkten -, als ein Schatten am Rande eines Gehölzes ihre Aufmerksamkeit erregte.
Ein Mann saß dort auf einem schwarzen Hengst. Aber er beobachtete nicht die Pferde, sein Blick war auf sie gerichtet.
Pris fluchte. Noch ehe sie die breiten Schultern, die elegant schlanke Gestalt, das schwarze windzerzauste Haar bewusst wahrgenommen hatte, wusste sie, um wen es sich handelte.
Abrupt wendete sie ihre Stute, schlug ihr mit den Fersen gegen die Flanken und stürmte los. Sie preschte den Abhang hinab, ließ dem Pferd die Zügel schießen und flog praktisch mit donnernden Hufen über die Heide.
Er würde ihr folgen, davon war sie überzeugt. Der verflixte Mann war ihr bestimmt schon den ganzen Morgen nachgeritten, vielleicht auch schon gestern Morgen. Inzwischen wusste er sicher, dass sie nach einem bestimmten Stall suchte. Sie musste dem Himmel danken, dass sie ihn bemerkt hatte, ehe sie etwas unternommen hatte, womit sich ihre Beobachtung von Cromartys Leuten von den anderen unterschieden hätte.
Ein rascher Blick über ihre Schulter bestätigte ihr, dass der große Schwarze hinter ihr war.
Die Stute war leichtfüßig und schnell, und ihre Reiterin wog wesentlich weniger als sein Reiter, aber der schwarze Hengst war wie sein Herr - gnadenlos. Er kam näher und näher, die schweren Hufe fraßen ihren Vorsprung auf.
Sie beugte sich tief über den Hals der Stute, trieb das Tier weiter. Der Wind zerrte an ihren Locken, wehte sie über ihre Schultern. Sie verlagerte ihr Gewicht und wirbelte zu den Bäumen herum, versuchte zu überlegen, was sie sagen sollte, wenn er sie eingeholt hatte.
Würde er sich fragen, warum sie vor ihm weggeritten war? Würde er ihren wahren Grund dafür erraten, dass sie ihn so weit weg wie nur möglich von dem Reitstall haben wollte, den sie beobachtet hatte? Aber nein, ihr letztes Zusammentreffen, besonders in den Augenblicken hinter dem Wäldchen, boten ihr Anlass genug, vor ihm zu fliehen. Und das wusste er, verflixt noch einmal! Sie erinnerte sich noch viel zu deutlich an den Moment, ehe sein Freund gekommen war, als er versucht hatte, eine andere Form der Überredung anzuwenden - was zu ihrem Entsetzen fast dazu geführt hatte, dass ihr das Herz stockte.
Und sie mit einer seltsamen, nie zuvor empfundenen Angst, begleitet von einer unseligen Vorfreude erfüllt hatte.
Nein. Sie hatte einen guten Grund, ihm nicht wieder in die Hände fallen zu wollen.
Aber sie wollte nicht, dass er länger über die Männer auf dem Feld unten nachdachte, womöglich aufmerksam wurde und am Ende zurückreiten und nachsehen würde. Sie musste ihn davon überzeugen, dass es nur ein weiterer Reitstall war wie all die anderen, die sie sich angesehen hatte, nicht der, nach dem sie gesucht hatte.
Sie blickte hinter sich. Er war noch näher, als sie befürchtet hatte. Einen Fluch unterdrückend, schaute sie nach vorne - sie näherte sich rasend schnell dem Rand der Heide. Die Bäume wurden höher und standen dichter, sie gelangte in stärker bewaldetes Gebiet.
Bald hätte er sie eingeholt, aber es war ihr lieber, wenn sie die Bedingungen dafür aufstellte. Da ihr eigentliches Ziel ja war, dafür zu sorgen, dass er nicht zu lange über den Reitstall auf dem letzten Übungsplatz nachdachte ... sie wollte bestimmt nicht in seinen Armen landen, aber es gab da eine Waffe in ihrem Arsenal, die ihrer Erfahrung nach beinahe garantiert dazu geeignet war, ihn durcheinanderzubringen, seinen Verstand zu umnebeln und seine Erinnerungen zu verwischen.
Sie war beileibe nicht darauf aus, sie anzuwenden, das war nämlich weder klug noch sicher, aber sie
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