Eine riskante Affäre (German Edition)
es so seine Art ist, und den Tod als Achtungsbezeigung erklärt. Etwas Derartiges hat er nie von mir verlangt. Er wusste, dass ich viel zu zartbesaitet fürso etwas war. Hat mich deswegen auch immer ausgeschimpft.«
Auf ihrem Rock lag ein Stück Orangenschale. Sie nahm es und schnipste es ins Wasser. »Ich habe mir Würstchen davon gekauft. Von dem Schilling, den er mir gegeben hat. Ich war so verdammt hungrig.«
Sebastian spielte mit dem Gedanken, Lazarus zu Fischfutter zu verarbeiten. Und zwar mit einem stumpfen Messer.
»Nachdem ich aufgehört hatte, mich gegen ihn aufzulehnen, war es ganz gut bei Lazarus.« Jess’ starrer Blick wanderte wieder in die Vergangenheit. »Der Platz hinter Lazarus, wo jetzt dieser Junge ist – das war meiner. Ich war ›die Hand‹. Das verstehst du nicht. Ich war eine Art Wesir oder so. Konnte überall hingehen, durfte alles. Es war himmlisch.«
Das konnte er sich lebhaft vorstellen. Jess als Kind, wie sie aufmerksam und schweigend hinter Lazarus an der Wand saß und Botengänge in ganz London erledigte. Was für ein widerliches Monster dieser Mann doch war!
»Anfangs war es hart für mich«, gestand sie. »Schließlich war ich es nicht gewohnt, für jemanden zu arbeiten.«
Lazarus wusste genau, wie man jemanden wie Jess beherrschen konnte. Er hatte ihre Seele besessen, so, so. »Ich kann mir vorstellen, dass es schwer war.«
Dann sah sie ihn an, wobei sie ihn zum ersten Mal seit einer ganzen Weile wahrnahm. »Es war nicht das – was du denkst. Ich war … etwas Besonderes. Er hat mich immer nur angelacht, wenn ich frech zu ihm war, und mir fast jeden Wunsch erfüllt. Und bei meinem Sturz hat er so lange nach mir suchen lassen, bis sie mich fanden. Und dann ist er gekommen und hat mich rausgeholt. Hat irgendeinen feinen Doktor gegen seinen Willen herbringen und meinen Arm richten lassen. Die ganze Nacht hat Lazarus neben mir gesessen und mit mir geredet, um mich von meinen schlimmen Schmerzen abzulenken.«
Der verfluchte Kerl hatte sie aufs Dach geschickt. Lazarus gehörte gevierteilt.
»Drei Jahre lang war ich bei ihm; ich wäre für ihn gestorben.«
Es grenzte an ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte.
Leute spazierten auf der Flusspromenade vorbei. Jess zog ihr Kleid über die Knie und hielt den Blick auf das Muster im Stoff gerichtet, als sie weitersprach. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, da wir gerade so hier sitzen und ich ohnehin schon tief in deiner Schuld stehe. Ich würde dir gern einen Schilling geben, im Austausch für den, den du Lazarus bezahlt hast. Ich möchte … mich von dir freikaufen. Ich weiß, das klingt verrückt.«
Ihr war also nicht wohl bei dem Gedanken, dass er ihre Seele besaß. Gut.
Sie fuhr fort: »Wir lassen einfach nur ein Schillingstück von einer Hand in die andere wechseln. Nennen wir es einfach Aberglaube.«
Als er nichts erwiderte, blickte sie hoch und biss sich auf die Lippe. Dabei fragte sie sich, was er wohl dachte. Und dann lehnte sie sich mit halb hochgerutschten Röcken an den Steinlöwen in ihrem Rücken. Keiner anderen Frau in London wäre entgangen, wie leicht zu haben sie wirkte.
»Glaubst du etwa, du gehörst mir wegen dieses Schillings?« Er beugte sich vor. Dann fuhr er ihr äußerst zärtlich mit der Rückseite eines Fingers in einer sanften Linie vom Hals über die Korsage. Als er sich der Brust näherte, wurde er zwar langsamer, hielt jedoch nicht an. »Wenn ich dich besitze, darf ich das.«
Sie wurde still. Dann blickte sie nach unten auf seine Hand und konnte nicht ganz glauben, was er sich da herausnahm. »Um Himmels willen, Sebastian. Wir sind verdammt noch mal mitten auf der Straße.«
»Wer mir gehört, hat nicht zu protestieren, egal, was ich tue. Erinnere dich an all die Jahre im Osten, wo viele Frauen feilgeboten werden.« Sein Finger glitt weiter und hielt auf ihre Brustwarze zu. Diese erhob sich unter dem Stoff, als er sich näherte. Er berührte sie nicht, sondern umkreiste sie nur sanft mit der Fingerspitze. Jess war bezaubernd. »Im Allgemeinen sind sie teurer.«
Mal sehen, wie sie reagierte. Die Chancen standen nicht schlecht, dass sie ihm die Nase brach und dann in den Fluss warf. Sollte sie ruhig, wenn ihr danach war.
Jess schlug seine Hand weg. »Hör auf damit! Wirst du das wohl lassen? Mindestens fünfzig Leute können dir zusehen.«
»Niemand schaut zu.« Ihm war völlig egal, ob jemand sie beobachtete. Sie hatte es sich an dem Steinlöwen gemütlich gemacht. In diese
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