Eine Schwester zum Glück
sagte mir damals nicht allzu viel. Neun Monate schienen keine sonderlich lange Zeit zu sein.
Mackie war im Prinzip weiterhin gegen die Idee, allerdings weniger, nachdem ich klargestellt hatte, dass es ihr Ei sein würde und nicht meines. Trotzdem, meinte sie, könne so etwas nur in einer Katastrophe enden. Tage spä ter googelten wir dann Leihmutterschaft und lasen von einem Gerichtsverfahren nach dem anderen, friedliche Anfänge, die bitter aus dem Ruder gelaufen waren. Doch selbst davon ließen wir uns nicht bremsen. Zu dem Zeitpunkt waren wir der Idee bereits verfallen. Sie hatte zu viel Potenzial, als dass man sie nicht wenigstens ausprobieren sollte.
»Ich begreife nicht, was für dich dabei herausspringt«, sagte Mackie an jenem ersten Abend.
»Dich mit einem Baby zu sehen«, sagte ich und fügte hinzu: »Was denn sonst?«
»Aber hast du denn keine Angst, dass es sich wie dein Baby anfühlen würde?«
»Nein«, sagte ich. »So sehe ich es überhaupt nicht.« Ich sah es ganz klar als Mackies Baby, das eine Zeit lang seiner Tante einen Besuch abstattete, bis es so weit war, dass es nach Hause gehen und bei seinen Eltern leben konnte.
»Ich halte es bloß für keine gute Idee, wenn das erste Baby, das du je hast, für jemand anderen ist.«
Doch das war in meinen Augen kein Problem. Mackie brauchte jetzt ein Baby. Ich konnte später noch mehr produzieren, wenn der richtige Zeitpunkt für mich gekom men war. Es schien mir einfach keine große Sache zu sein – auf die Art und Weise, wie Dinge eben simpel wirken, wenn man nicht die leiseste Ahnung davon hat. Wie ein Fernsehgerät: Man drückt bloß auf einen Knopf und sieht sich die Bilder an! Einfach!
»Wieso denn nicht?«, wollte ich wissen.
»Weil du nicht weißt, worauf du dich da einlässt.«
Ich warf die Arme in die Höhe. »Keine Frau, die schwanger wird, weiß je, worauf sie sich einlässt!« Dann stemmte ich die Hände in die Hüften und hoffte, eine kluge und wissende Pose hinbekommen zu haben. »Das ganze Leben ist ein einziges Glücksspiel.«
Mackie musterte mein Gesicht. »Es ist keine gute Idee«, sagte sie erneut, doch mittlerweile fehlte ihr die Überzeugung. Ob sie es nun meinte oder nicht – und ob es nun in der Tat eine gute Idee war oder nicht –, am Ende des Abends war sie bereit, es auszuprobieren.
Ich war auch bereit. Es war so einfach. Ich musste mich ständig selbst dazu beglückwünschen, dass mir das Ganze eingefallen war. Es gab so wenige Probleme im Leben, zu denen es tatsächlich Lösungen gab.
Ich schlug folgende Vorgehensweise vor: Ich würde eine Zeit lang nach Hause ziehen. Würde dieses Baby kriegen. Würde ohne Miete zu zahlen bei Mackie und Clive wohnen. Mir über mein Leben klar werden. Ein besserer Mensch werden.
»Und was ist mit deiner Arbeit?«, fragte Mackie.
»Och!« Ich winkte ab. »Man hat mich gefeuert.« Mittlerweile wirkte das so unwichtig. Rückblickend muss ich mich doch fragen, ob meine Begeisterung fürs Kinderkriegen damit zu tun hatte, dass ich meinen Job verloren hatte. Ob ich versuchte, den Verlust einer Sache mit dem Gewinn einer anderen wettzumachen. Damals hätte ich das allerdings niemals zugegeben. Damals ging es nur um Mackie.
»Man hat dich was?«
»Ähm, gefeuert.«
»Bitte sag mir, dass das ein Scherz ist«, meinte Mackie.
Ich schüttelte den Kopf. Superlässig.
»Die Arbeit ist dein ganzes Leben!«
»Hallo?« Ich wies auf sie und mich und dann das ganze Zimmer. »Nicht mein ganzes Leben.«
Vielleicht wäre ich gewillt gewesen einzuräumen, dass meine Arbeit der Großteil meines Lebens gewesen war. Vielleicht sogar die überwiegende Mehrheit meines Lebens. Aber nicht alles. Ja, mit Abstand betrachtet, war es vielleicht ein großes Glück gewesen, dass ich mich hatte feuern lassen. Das Universum sorgte dafür, dass ich für etwas Besseres frei war. Das war eine Möglichkeit, das Ganze zu betrachten, nicht wahr?
Ich erzählte Mackie die Geschichte von dem Titten skandal und deutete sogar an, dass das ganze Debakel ein bisschen ihre Schuld war.
»Nicht wirklich«, widersprach Mackie.
»Du hast mir den Link geschickt.«
»Aber ich habe ihn nicht an deinen CEO weitergeleitet. Das bist ganz allein du gewesen, Einstein.«
Mir gefiel die Vorstellung, nach Houston zurückzukehren. Ich wollte mich sammeln, eine Zeit lang weg von New York verbringen und hatte ohnehin große Lust, bei mei ner Schwester zu wohnen. Der französische Freund meiner Mitbewohnerin suchte eine Bleibe. Er
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