Eine Schwester zum Glück
könnte eine Zeit lang zur Untermiete wohnen.
»Du würdest aus New York wegziehen?«, fragte Mackie. »Du würdest zurück nach Hause ziehen?«
»Ich würde nicht nach Hause ziehen«, verbesserte ich. »Es wäre nur zu Besuch.« Um jegliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, sagte ich mit einer kleinen Grimasse: »Ich würde hier ja nicht bleiben .«
»Schon klar«, meinte Mackie.
Es fügte sich alles so wunderbar zusammen. Alles wirkte so absolut ideal. Natürlich war es auch eine gefährliche Idee, bei Mackie und Clive zu wohnen, während ich ihr Kind austrug. Aber kurzfristig löste es mein Problem mit dem Mietezahlen. Und sie hatten so ein tolles Haus. Ich konnte es kaum erwarten, mich in dem ganzen Platz und Sonnenschein einzunisten. Und vielleicht war es – auch wenn ich das Mackie gegenüber nicht erwähnte – einfach an der Zeit, dass ich zur Abwechslung einmal etwas wirklich Gutes mit meinem Leben anfing.
Mackie war normalerweise diejenige, die auf die Bremse trat. Sie hatte mich davon abgehalten, mir ein Yin-und-Yang-Tattoo machen zu lassen, mir für ein Kunstprojekt sämtliche Haare abzurasieren, die Uni abzubrechen, als ein Professor zugab, dass er jedem einzelnen Studenten, den er hatte, ein B minus gab. Doch hier am Küchentisch, nur unter uns beiden und mit einer wachsenden Ahnung, was möglich war, standen Mackie keine Bremsen zur Verfügung. Wie auch? Wenn einem jemand das anbietet, was man sich am meisten auf der Welt wünscht, greift man zu.
Als Nächstes mussten wir nur noch Clive überreden.
Mackie und ich machten den Abwasch und sperrten ab. Dann kletterten wir auf ihr Kingsize-Doppelbett, um fern zusehen. »Meinst du, er wird mitmachen?«, fragte ich.
»Das muss er«, sagte sie.
»Er scheint ziemlich nett zu sein«, sagte ich.
Im Grunde kannte ich Clive nicht besonders gut. Als er nach Texas kam, war ich schon lange weggezogen, und er und Mackie hatten es ganz allein hingekriegt, sich kennenzulernen, einander zu umwerben und sich zu verloben. Ich sah ihn nur zu den Festtagen, auch wenn ich viel über ihn wusste. Seine Urgroßeltern stammten aus Indien, aber er war in London aufgewachsen, und nach zwei Generationen in England war er superbritisch. Seine Haare waren so schwarz, dass sie beinahe blau waren. Er hatte in Oxford studiert und war dann auf die Wharton Business School in den Staaten gegangen. Jeden Nachmittag trank er Darjeeling mit Sahne – nicht Milch – und Zucker, und wenn zufälligerweise die Sahne alle war, fuhr er jedes Mal los und kaufte welche. Er war ein gütiger Mensch und ein guter Zuhörer. Er hatte eine Allergie auf grüne Paprika, aber nicht auf gelbe oder rote. Früher hatte er Apnoetauchen betrieben und konnte unter Wasser mehr als zwei Minuten lang den Atem anhalten. Er benutzte Eau de Cologne. Als kleiner Junge war er von einem Yorkshireterrier gebissen worden und hatte bis zum heutigen Tage noch Angst vor ihnen. Er war höflich und gelegentlich eine Spur übereifrig im Bett – auf einmal wünschte ich mir allerdings, Letzteres nie erfahren zu haben.
Doch fast alles, was ich über ihn wusste, wusste ich von Mackie. Es war mir nie wirklich in den Sinn gekommen, ihn besser kennenzulernen. Sollte ich natürlich, na ja, ein Baby von ihm kriegen, würde ich ihn letzten Endes viel besser kennen, als ich je vorgehabt hatte. Doch das wirkte damals wie eine Nebensächlichkeit.
Mackie war sich sicher, bevor Clive seine Zustimmung zu irgendetwas gäbe, würde er uns dazu bringen, jede Schattenseite zu durchdenken. Er war ein Planer. Auf Katastrophen war er gern vorbereitet. Das war einer der Gründe für den Erfolg seiner Firma. Er dachte die Dinge zu Ende, ließ sich Zeit und vermied jegliches Fiasko.
Folglich erstellten wir in einem Notizheft eine Liste sämtlicher Nachteile, die uns einfielen. Zusätzlich zu den unzähligen Gefahren und dem möglichen Kummer, die mit einer gewöhnlichen Schwangerschaft einhergingen, ließen wir uns so einiges zum Thema Leihmutterschaft einfallen – insgesamt zwei Seiten, unter anderem: Die Ein nistung könnte fehlschlagen, sodass wir schrecklich enttäuscht wären, oder ich könnte eine schlechte Erfahrung damit machen und mich gegen eigene Kinder entscheiden. Oder – die furchterregendste und, unserer Meinung nach, wahrscheinlichste aller Möglichkeiten: Ich könnte es letztlich nicht über mich bringen, mich von dem Baby zu trennen.
Im Grunde ist es komisch, dass die tatsächlichen Nachteile jenes Jahres, in
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