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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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eine Spur sexy .
    Everetts Beispiel folgend nannten wir den Wandschrank fortan Schutzraum . Die Tüte mit Heftpflastern und Antiseptikum wurde die Erste-Hilfe-Ausrüstung . Die Krüge mit Wasser und Schachteln voll Müsliriegel wurden unsere Rationen .
    Ich neckte Everett ein wenig, bloß um sicherzustellen, dass er sich nicht für den Boss hielt – und damit er wusste, dass er bloß die Führung übernommen hatte, weil wir ihn machen ließen. Eine Zeit lang salutierte ich und nannte ihn Sergeant und G.I. Joe und dann Gomer Pyle . Ich bot mich an, Dinge aus der Messe zu holen und sie zurück in die Kaserne zu bringen. Nach einer Weile fand ich, dass es lustiger wäre, ihn wie einen Piraten zu behandeln, und so wurde er zum Käpt’n, und ich versuchte ihn dazu zu bringen, Johoho und ’ne Buddel voll Rum! zu sagen. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob irgendjemand außer mir das Ganze lustig fand.
    Der Regen setzte ein, während wir zu Abend aßen – unvermittelt, obwohl wir den ganzen Tag damit gerechnet hatten. Der Himmel verfinsterte sich in der Zeit, in der wir den Salat durchmischten, und als der Regenguss endlich kam, war er so heftig, dass wir den hinteren Gar tenzaun nicht mehr sehen konnten. Unsere Blicke schweif ten wie bei Tenniszuschauern vom Fenster zu den Fernsehnachrichten, bis Mackie aufstand, ihre Serviette auf den Tisch warf und vorschlug, dass wir uns in den Schutzraum zurückzogen.
    »Den Abwasch können wir morgen früh machen«, sagte sie. »Falls das Haus dann noch stehen sollte.«
    Oben ordnete Mackie Kopfkissen und Decken zu einem großen Vierpersonenbett in der Mitte des Wandschranks an. Dann trieb sie ein Kartenspiel auf und hatte mir gerade zu einer Partie Rommé zu Boden geholfen, als Barni die Kleider meiner Mom entdeckte, die in der Ecke hingen.
    »O mein Gott! Was ist denn das?« Barni legte auf der Stelle ihre Karten weg – mit dem Blatt nach oben –, um nachzusehen.
    »Kleider«, sagte Mackie. »Sie haben unserer Mutter gehört.«
    »Sie sind superschön.« Barni berührte den Stoff. »Darf ich eins anprobieren?«
    »Ich halte es nicht für eine gute Idee, den Schutzraum zu verlassen«, sagte Everett.
    Doch Barni hatte schon ein Kleid vom Bügel gezogen. »Dann tu ich es eben nicht.« Sie machte sich daran, sich an Ort und Stelle auszuziehen. Wir mussten alle wegsehen, während sie ein Kleid nach dem anderen anprobierte, um uns herumstolzierte und mit den Fingern durch Everetts Haare fuhr, während wir Karten spielten.
    »Die Kleider sehen an dir riesengroß aus!«, sagte Mackie einmal zu Barni, ein paar Minuten nachdem Barni gewitzelt hatte, sie wolle meinen Bauch als Schemel benutzen.
    Barni sprach wahnsinnig gern über die Kleider. »Sind sie nicht riesig? Ich bin einfach schon immer so gewesen.« Sie drehte sich ein wenig. »Wohl einfach gesunde Gene.«
    O Gott. Ich hasste sie so sehr!
    Barni hatte die seltsame Angewohnheit, Everett Schnu ckilein zu nennen, als hieße er so. Wie beispielsweise »Schnuckilein, was hältst du von dem Hut?« Oder: »Schnuckilein, hast du den Donner eben gehört?« Es ging mir auf die Nerven, und jedes Mal, wenn sie es sagte, warf ich einen Blick auf Everett, um zu sehen, ob er ebenfalls zusammenzuckte – ob es ihm peinlich war, mit so einer Verrückten zusammen zu sein. Allem Anschein nach nicht. Er schien es noch nicht einmal zu bemerken. Oder sie überhaupt zu hören.
    Gegen elf Uhr kamen wir überein, das Licht auszuschalten. Wir entschieden, in unseren Anziehsachen zu schlafen für den Fall, dass wir uns auf die Schnelle in Sicherheit bringen mussten. Wir streckten uns alle aus – nebeneinander, wie Buntstifte in einer Schachtel –, unsere Kopfkissen und Decken auf dem Berberteppichboden.
    Und trotz meiner Bemühungen, so weit wie möglich von Everett entfernt zu liegen, landeten wir beide genau nebeneinander in der Mitte. Also lag ich reglos da, ein extra Kopfkissen unter dem Bauch, mit zusammengekniffenen Augen, und wartete darauf, endlich einzuschlafen – wobei ich auf den Regen lauschte, der auf das Dach prasselte, und auf gelegentliche Donnerschläge, die das gesamte Haus zu erschüttern schienen. Ich schaute noch nicht einmal hinüber, als Barni Everett etwas zuflüsterte.
    Obwohl ich nicht richtig verstehen konnte, was sie sagte, klang es wieder wie dieses Wort, immer wieder: Schnuckilein . Schnuckilein . Schnuckilein . Ich kniff die Augen noch fester zusammen. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich auch die Ohren

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