Eine Schwester zum Glück
hatte alles komplett rausgerissen und sogar ein Fenster versetzt. Sie ließ Holzverkleidungen für die Kühlschranktüren anfertigen, Stein aus der Provence für die Arbeitsflächen importieren und kaufte ein neues Set Kupfertöpfe, das von einem Gestell über der schicken Viking-Range-Kochinsel hing. Die Küchenjalousien ließen sich per Knopfdruck bedienen.
Das Ganze war, um es milde auszudrücken, nicht nach meinem Geschmack. Ich konnte kaum dort stehen, ohne dass mir schwindlig wurde. Doch um Dixies willen verstellte ich mich wie eine Weltmeisterin.
Und woher nahm ich mir überhaupt das Recht zu sagen, dass diese überladene, selbstgefällige, übertriebene Küche nicht besser war als diejenige, die zuvor dort stand? Ich hatte die Küche meiner Mutter vorgezogen – mit ihren Resopalarbeitsflächen, dem netten kleinen Kühlschrank voller Erinnerungsnotizen, dem hölzernen Ess eckentisch, den selbst genähten Café-Vorhängen. Doch vielleicht hatte ich in Wirklichkeit einfach meine Mutter vorgezogen. Oder die Vorstellung von meiner Mutter. Oder die noch-nicht-einmal-mögliche Möglichkeit, dass ich eines Tages hereinkommen und sehen würde, wie sie in ihrem blauen Frotteebademantel Rühreier zubereitete.
Diese Küche hier war kein Ort, an dem meine Mutter je stehen würde. Dort konnte ich sie mir nicht vorstellen und nicht spüren. Die Neuheit des Raumes erweckte den Anschein, als wäre meine Mutter niemals dort gewesen. Und so hatte ich sie wirklich verloren. In den Tagen nach der Geburt wusste ich nicht viel, aber das erkannte ich. Meine Mutter würde nie nach Hause kommen, wenn es keinen Ort gab, an den sie zurückkehren konnte.
Doch ich musste Dixie einfach lieben. Wie denn nicht? Sie kümmerte sich. Um Wäsche, um Pflanzen, um Menschen. Sie half den Dingen gern beim Gedeihen. Einer ihrer beiden streunenden Shih Tzus hatte sogar den zweiten Platz beim Shih-Tzu-Wettbewerb in San Marcus errungen – nicht einmal ein halbes Jahr nachdem sie ihn gefunden hatte, als er gerade Würmer aus dem Müll hinter ihrem Haus fraß. Dixie klackerte in ihren Schühchen mit Absatz und ihren Ohrclips mit einer Lebensfreude umher, die einfach ansteckend war. Ich spürte es, mein Dad spürte es. Sogar Mackie spürte es.
Dixie kochte uns warmes Essen, sorgte dafür, dass das Haus blitzblank war, und ließ den Fernseher im Wohnzimmer bloß zur Gesellschaft Tag und Nacht laufen. Sie war ständig mit einem Projekt beschäftigt, war auf dem Weg irgendwohin oder kam von irgendwoher. Sie blieb nie stehen oder hielt inne, um sich Sorgen zu machen oder Trübsal zu blasen. Sosehr ich auch ihren Geschmack verabscheute – und die Hawaiihemden, die sie meinem Dad ständig kaufte –, ließ sich nicht leugnen, dass sie es verstand, Dinge wieder zum Leben zu erwecken. Abends, wenn mein Dad zu Hause war, aßen wir Steaks und sahen dann im Wohnzimmer fern, während sie Kaffee kochte und Kuchen anschnitt.
Vielleicht hatte sie das Haus in Dixiewood verwandelt, doch ich konnte verstehen, warum mein Dad sich von ihr angezogen fühlte. Er hatte riesiges Glück, dass er sie gefunden hatte, und ich vergaß nicht, ihr das zu sagen. Und ihm auch.
Die Wahrheit ist doch, dass man nicht alles haben kann. Man kann das Alte und das Neue nicht gleichzeitig haben. Und so wählte ich Dixie, anstatt mich nach der Vergangenheit zu sehnen. Genau wie mein Dad. Als hätte es da überhaupt eine Wahl gegeben.
Theoretisch lautete der Plan, dass ich mich von der Geburt erholen und dann die Rückkehr nach New York in Angriff nehmen sollte. Natürlich würde ich bleiben und bei dem Bibliotheksprojekt helfen, doch anschließend würde ich schon bald wieder in mein altes Leben zurück kehren. Denn mein Selbstverständnis als New Yorkerin verblasste allmählich. Und wenn ich es zurückhaben wollte, musste ich mich schnellstens darum kümmern.
Allerdings hatte ich dazu keine Lust. Ich war müde. Und das Leben in Houston war ziemlich angenehm. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich noch aus dem Krankenhaus bei meiner alten Mitbewohnerin anrufen und die Einzelheiten meiner Rückkehr besprechen würde. Doch das tat ich nicht.
Anfangs hatte ich viel Besuch. Fast jeder, der beim Denkmalschutz arbeitete, kam vorbei oder rief an. Sie sagten, im Büro würde man mich vermissen. Verwandte und alte Freunde kamen mit Blumen und Essen vorbei. Ich empfing sie im neuen Wohnzimmer, während Dixie uns Kaffee und Cookies brachte. Selbst als ich wieder an den Vormittagen
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