Eine skandalöse Braut
Derjenige, der ihnen das Frühstück gebracht hatte, musste ihn gesehen haben. Der Gedanke stürzte sie in Verlegenheit. Andererseits war sie schließlich eine verheiratete Frau – noch dazu verheiratet mit dem berüchtigten Alex St. James. Das Frühstück lenkte sie von ihrer Verlegenheit nachhaltig ab. Beim Dinner am Vorabend hatte sie praktisch nichts zu sich genommen, da sie zu nervös gewesen war, um den sieben köstlichen, aufwendigen Gängen gerecht zu werden.
Sie goss dampfenden Kaffee in ihre Tasse aus Sevresenner Porzellan und überlegte zugleich, welche der aufgetragenen Köstlichkeiten sie genießen sollte. Schließlich entschied sie sich für ein Gebäckstück, das mit karamellisiertem Zucker überzogen war. Dazu gab es zwei perfekt gekochte Eier und etwas Obst. Sie aß langsam und dachte dabei über ihr Leben nach, das sich innerhalb kürzester Zeit so sehr verändert hatte.
Das diskrete Klopfen an der Tür riss sie aus ihrer Träumerei. Überrascht blickte sie auf. »Kommt herein.«
Die Zofe, die eintrat, war nicht das stille Mädchen, das ihr am Vorabend bei der Toilette geholfen hatte, sondern eine ältere Frau. Sie machte rasch einen Knicks und überreichte ihr einen dicken, cremefarbenen Umschlag. »Das ist für Euch, Madam.«
Madam? Es würde dauern, bis sie sich an diese Bezeichnung gewöhnte. Schließlich war sie erst neunzehn. Amelia nahm die Nachricht entgegen. »Danke.«
Neugierig brach sie das Siegel und las die in einer spinnenhaften Handschrift verfasste Nachricht.
Es schien, als sei Alex nicht der Einzige, der zu einer Audienz gebeten wurde. Amelia räusperte sich, ehe sie die wartende Dienerin bat: »Ob man mir wohl heißes Wasser heraufschicken kann, bitte?«
Sie hatten die Ställe umrundet und diskutierten währenddessen über die Möglichkeiten, die Blutlinien der Pferdezucht aufzufrischen, ehe sie schließlich auf Amelia zu sprechen kamen. Sobald sie eine Ecke des soliden Ziegelbaus hinter sich gelassen hatten und seine Stiefel wieder auf dem sauberen, weißen Kies knirschten, bemerkte sein Vater ungerührt: »Kannst du mir bitte erklären, wie das passieren konnte?«
Alex überlegte, einfach so zu tun, als wisse er nicht, worüber sein Vater redete. Doch dann sagte er stattdessen: »Ich vermute, du kannst dem alten Skandal die Schuld daran geben. In meinem Bestreben, Großmutter zu helfen, bin ich Amelia begegnet. Diese eine Begegnung hat gereicht.«
Ein Stallbursche lief vorbei und führte eines der neuen Fohlen Richtung Stall. Er senkte ehrerbietig den Blick, als er den Kopf neigte. Das junge Pferd sprang scheu beiseite, als wollte es sich gegen die führende Hand auflehnen. Sein Vater wirkte so distanziert wie immer. Aber dann gab er widerstrebend zu: »Sie ist entzückend. Sie ähnelt ihrer Mutter sehr.«
»Du kanntest ihre Mutter?«
»Sieh mich nicht so überrascht an. Natürlich kannte ich sie. Auch wenn er seine Fehler hat, ist Hathaway ein Earl. Wir verkehren seit jeher in denselben Kreisen.«
»Ich glaube, seine Tochter würde dir in Bezug auf seine Fehler durchaus zustimmen.« Alex beobachtete einen Raubvogel. Vermutlich ein Falke, der elegant durch die Luft schoss, ehe er sich auf einem Baum niederließ. Der Himmel war von einem geradezu strahlenden Blau ohne ein einziges Wölkchen. »Er hat abwechselnd ihre Existenz gewissermaßen ignoriert und über ihr Leben bestimmt. Falls du es bisher noch nicht erraten hast: Mir wurde sehr bestimmt die Zustimmung verweigert, sie zu heiraten.«
»Wenigstens wurde er gefragt.«
Die schroffen Worte seines Vaters wurmten ihn. »Ich bin fast dreißig. Hast du erwartet, ich würde dich fragen?«
Sein Vater zögerte. Dann zuckte er seufzend mit den Schultern und ging an seiner Seite den Weg am Außengebäude entlang in Richtung Gärten. »Ich vermute, da hast du schon recht. Auch wenn ich es hasse, das zugeben zu müssen. Ich bin so sehr daran gewöhnt, für alle anderen die Entscheidungen zu treffen. Manchmal glaube ich wohl, Verantwortung tragen zu müssen, obwohl es gar nicht von mir verlangt wird.«
Das war für einen Mann, der selten etwas zugab, ein interessantes Geständnis. Das edle Profil seines Vaters war regungslos. Alex hatte nichts anderes erwartet. Er hielt mit seinem Vater Schritt. Ihre langen Schritte passten sich einander an. »Deine Feindschaft mit Hathaway hat nichts mit meiner Beziehung zu Amelia zu tun. Zumindest hoffe ich das. Sie ist besorgt, und dazu hat sie wohl guten Grund. Sie fürchtet, du wirst
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