Eine skandalöse Braut
wissen«, sagte sie in dem Versuch, leichthin zu plaudern. Sie war dankbar, weil sie nicht mehr keuchen musste. »Seid auf der Hut: Ich soll nicht herumtrödeln, sondern mir so schnell wie möglich einen arglosen Mann schnappen.«
Auch wenn sie erst seit Kurzem miteinander bekannt waren, hatte sie sich doch bereits an sein strahlendes Lächeln gewöhnt, das sie gleichermaßen bezauberte und ablenkte. Er lachte, und seine dunklen Augen hielten ihrem Blick stand. »Ich würde das als ernsthafte Warnung begreifen, Mylady. Aber eine erstklassige Frau wie Ihr könnte es viel besser treffen als mit dem jüngsten Sohn eines Dukes, der zudem einen recht zweifelhaften Ruf genießt. Ich glaube, in Eurem Fall bin ich kaum der geeignete Kandidat.«
»Wenn wir in dieser höchst anstößigen Haltung vorgefunden werden, bliebe keinem von uns beiden eine andere Wahl.«
Diese Beobachtung ließ ihn die Brauen heben. Aber er schien unbeeindruckt. »Ich glaube, wir sind dank des Regens in Sicherheit.«
Damit hatte er zweifellos recht. Aber Tante Sophia bekam bestimmt inzwischen einen kleinen, diskreten Anfall, weil Amelia schon recht lange verschwunden war, er kannte ihre exzentrische Verwandte nicht. Zwar wussten ihr Vater und ihre Tante, dass sie hin und wieder vor die Tür treten musste, um frische Luft zu schnappen, doch diesmal blieb sie länger als gewöhnlich.
»Im Übrigen«, fügte er leichthin hinzu, »gibt es immer noch die Möglichkeit, einfach den Klatsch zu ignorieren. Damit kenne ich mich aus.«
»Ja, das hat man mir erzählt.«
»Dann seid Ihr richtig informiert.«
Diese Bemerkung allein hätte sie zwingen müssen, ihn aufzufordern, sie sofort loszulassen. Diese blasierte Einstellung mochte für den berüchtigten Lord Alexander zutreffen, aber sie wäre sicher nicht in der Lage, unbeschadet aus einem Skandal hervorzugehen. Stattdessen flüsterte sie: »Vielleicht funktioniert diese Taktik bei Männern, die sich den Luxus gönnen können, den Konventionen zu trotzen. Frauen aber haben eindeutig weniger Freiheiten, Mylord.«
»Ich werde Euch wohlbehalten in den Ballsaal zurückgeleiten, sobald es möglich ist, ohne dass wir beide völlig durchnässt werden. Das würde im Übrigen weit mehr Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, dass wir gemeinsam draußen im Regen waren. Wie geht es Euch inzwischen?«
Seine Fürsorge war aufrichtig, bemerkte sie, während sie bequem und schamlos in seinen Armen ruhte. Die Enge in ihrer Brust, gegen die sie schon den ganzen Abend angekämpft hatte, war noch immer da. Aber es ging ihr etwas besser. Es bedeutete schon eine Erleichterung, einfach zugeben zu dürfen, mit dem Atmen Probleme zu haben. »Besser«, sagte Amelia und atmete tief durch.
»Wir warten ab, bis der Regen aufhört. Ihr könnt immer noch behaupten, Ihr wärt draußen gewesen und hättet Euch beim Dienstboteneingang untergestellt.«
»Ich denke, das wird gehen.«
Seine Stimme klang ruhig und im Grunde verbindlich. »Wir bleiben hier, bis es Euch besser geht.«
Das Problem war, es ging ihr bereits viel besser, und das schockierte sie irgendwie. Wenn ihr Vater sie so sah … Wenn er sah, dass sie schamlos auf dem Schoß eines Mannes saß …
Er wäre außer sich vor Wut. Aber dann fragte sie sich wieder, ob es ihm um ihren Ruf ging oder eher um die Tatsache, dass damit ihre Chancen geschmälert wurden, schnellstmöglich vermählt zu werden. Sie saß auf Lord Alexanders Schoß und grübelte über diese Frage nach, während der Regen um sie niederprasselte.
»Ich glaube, es ist das Beste, wenn Ihr mich jetzt loslasst.« Sie setzte sich auf. Ihr Gefühl für Anstand gewann die Oberhand.
Er ließ sie gehorsam los, aber sein attraktives Gesicht blickte besorgt zu ihr auf. »Ist es wirklich schon vorbei?«
»Ich hätte nicht rennen dürfen«, gab sie zu und rutschte von seinem Schoß. Verlegen strich sie über ihr Kleid. »Ich wusste, dass es mir heute nicht gut geht. Dieses Leiden tritt nur sporadisch auf, und es kann Monate dauern, ehe es wiederkommt.«
Das stimmte zum Glück. Im Frühling, wenn bestimmte Blumen blühten, nieste sie und hatte Atemprobleme, aber den Rest des Jahres war sie gesund wie alle anderen auch. Tatsächlich sogar gesünder, denn außer diesem Leiden hatte sie nie Gesundheitsprobleme.
»Ich bin froh, das zu hören, obwohl ich bezweifle, dass es gut ist, wenn Ihr nass werdet. Und ich fürchte, der Regen lässt nicht nach.« Höflich stand er ebenfalls auf. Es war recht dunkel, sodass
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