Eine skandalöse Braut
sie einander noch immer mit erhobenen Fäusten umkreisten.
»Wovon sprichst du bloß, zum Teufel?«
»Meine Tante besaß ein kleines Cottage direkt an der Themse, nicht allzu weit von London entfernt. Als sie starb, habe ich es geerbt. Es ist eigentlich sogar richtig zauberhaft … und es ist sehr abgelegen. Wenn du gerne etwas Zeit mit Lady Amelia allein verbringen möchtest, um, sagen wir mal, die Abgründe deiner Leidenschaft auszuloten, sei bitte so frei, dieses Cottage zu benutzen. Es gibt keine Dienerschaft, aber einmal die Woche kommt jemand vorbei und sorgt dafür, dass alle Räume gelüftet und gesäubert werden.«
»Bist du verrückt? Willst du mir allen Ernstes vorschlagen, ich solle mich heimlich mit ihr treffen?« Alex verharrte mitten in der Bewegung und starrte seinen Freund an.
Das war ein Fehler. In diesem Moment holte Michael aus und traf. Plötzlich fühlte Alex, wie er auf dem Boden ausgestreckt lag, von einem Hieb niedergeworfen, von dem ihm die Ohren klingelten. Er setzte sich auf, befühlte sein Kinn und befand, es sei nicht gebrochen. Dann erst nahm er die Hand, die Michael ihm darbot, und ließ sich hochziehen.
»Eine interessante Taktik«, erklärte Alex ihm finster. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ich bin nicht derjenige, der eine Vorliebe für eine jungfräuliche Lady hegt«, erwiderte Michael ernst. »Wer von uns beiden ist verrückt? Ich war auch nicht derjenige, der kürzlich an einem Musikabend teilgenommen hat, bei dem in erster Linie alleinstehende, junge Ladys und ihre Mamas zugegen waren. Diese Abweichung von deinem normalen Verhalten wurde in der Klatschspalte der Zeitung gebührend beachtet.«
Er hatte gewusst, dass so etwas passieren würde. Aber es war Alex unmöglich gewesen, Amelias Botschaft zu ignorieren. Außerdem hatte sie durchaus das Recht, ihm diese Nachricht zu schicken. »Sie sagte, sie müsse mit mir reden. Natürlich war ich neugierig.«
»Wenn sie das nächste Mal mit dir reden muss, könnt ihr gerne das Cottage nutzen, statt eine öffentliche Begegnung zu riskieren.«
»Was denn, soll ich Hathaway einen Grund liefern, mir die Eier abzuschneiden?«, fragte Alex trocken. Er streifte sich die Handschuhe ab. »Selbst wenn ich die Finger von ihr lassen würde, wissen wir doch beide, dass es für ihn Grund genug wäre, wenn ich mich heimlich mit ihr treffe.«
»Das Angebot steht jedenfalls.«
»Mit diesem Angebot tust du mir keinen Gefallen, Michael.« Es fiel ihm allzu leicht, sich Amelia vorzustellen. Amelia mit ihm in einem bequemen Bett. Diese Kombination klang für seinen Geschmack etwas zu explosiv.
»Aufgrund deines gereizten Tonfalls würde ich mal sagen, dass das stimmt. Wie ernst ist die Angelegenheit?«
Alex nahm von einem der Diener ein Handtuch entgegen und wischte sich das Gesicht trocken. »Es gibt keine Angelegenheit«, erwiderte er ungerührt. »Sie ist, wer sie ist, und ich bin, wer ich bin. Das ist eine einfache Gleichung. Falls es von meiner Seite ein ernstes Interesse gäbe, wären doch unsere Familien noch immer ein unüberwindliches Hindernis. Selbst wenn ich eine andere Einstellung zur Ehe hätte, ließe mich diese Situation dennoch zögern.«
»Wie ich sehe, hast du ausführlich darüber nachgedacht.«
Diese Beobachtung irritierte ihn zutiefst. Ganz einfach, weil sie stimmte.
Michael fuhr fort: »Wenn du es nicht anderweitig nutzen möchtest, wäre das Cottage zumindest der richtige Ort, um über den geheimnisvollen Absender der Briefe zu spekulieren, falls er noch einmal zuschlägt. Botschaften auszutauschen, wie ihr es bisher tut, kann viel gefährlicher sein als ein heimliches Treffen. Das geschriebene Wort besitzt diesen Hang, auf einen zurückzufallen. Das beweisen allein schon die alten Briefe.«
Das war ein guter Einwand. Vielleicht konnten sie sich treffen, dann blieben ihnen mehr als zwei Minuten, um herauszufinden, wer hinter all dem steckte …
Oh, verflucht! Wem mache ich denn hier etwas vor, überlegte Alex. Er ekelte sich vor sich selbst. Er würde es genießen, mit ihr allein zu sein. Genau das war sein Problem, denn dieser Wunsch war allzu offensichtlich. »Hast du dich schon einmal verliebt?«, fragte er Michael. Die Worte kamen ihm unwillkürlich über die Lippen, weil sein Freund plötzlich sehr verschlossen wirkte.
Liebe. Die Vorstellung von Rosenblütenblättern und feierlichen Schwüren und Gott weiß, was dieser Zustand an lebensverändernden Ingredienzien noch mit sich brachte, die kein
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