Eine skandalöse Braut
brüchig, während er versuchte, einen Ort zu finden, wo ihnen ein Mindestmaß an Privatsphäre gewährt wurde. »Aber andererseits könnt Ihr jeden fragen: Ich handle nicht immer klug.«
»Davon habe ich gehört.«
»Das habe ich mir gedacht. In diesem Fall habe ich aber einen guten Grund. Was würdet Ihr sagen, wenn ich Euch erzähle, dass auch ich einen Brief erhalten habe?«
Sie strauchelte. Er spürte es daran, dass sich ihre Finger fester um seinen Arm schlossen. »Jemand hat auch Euch einen ihrer Briefe geschickt?«
»Nein«, erwiderte er grimmig. »Einen von seinen .«
»Wie bitte?«
Er hatte einen verlassenen Platz direkt neben dem ungenutzten Pianoforte entdeckt. Das Podium für das Orchester befand sich auf der anderen Seite des Raums. Alex geleitete sie zu dem Instrument und hoffte, dass nicht jeder Gast im Raum bemerkt hatte, wie er aufgetaucht war und von der hübschen Lady Amelia Besitz ergriff. Es war überfüllt, das war gut für ihn, vielleicht kam es dem Earl of Hathaway nicht sofort zu Ohren, dass Lord Alexander St. James seine Tochter entführte. Er entführte sie ja nicht im wahrsten Wortsinn, es gab noch genug Menschen, die sie sehen konnten.
»Von Eurem Großvater an Anna«, bestätigte er, als sie sich zur anderen Seite des Pianofortes bewegten. Er hoffte, nicht alle Mitglieder des ton konnten sie in ihr Gespräch vertieft beobachten. Das Instrument war hoch genug, um sie vor den Blicken der meisten Anwesenden im Ballsaal zu schützen. »Ein Liebesbrief wie der, den Ihr bekommen habt. Aber dieser Brief kommt von der anderen Seite des Problems.«
»Ich finde nicht, dass man von einem Problem sprechen …«
Ungehalten unterbrach er sie, was sonst nicht seine Art war, aber es schien ihm notwendig zu sein. »Amelia, es war – nein, es ist ein Problem. Er war verheiratet . Die Liebesaffäre war unbedacht und stand unter einem schlechten Stern. Es ist egal, was sie füreinander fühlten, denn auch das Leben anderer Menschen wurde davon berührt. Er tat das Falsche, genau wie sie.«
Diese vehemente, wortgewandte Erklärung machte sie sprachlos. Beharrlich fügte Alex hinzu: »Lest den Brief. Ich habe ihn Euch mitgebracht. Uns stellt sich immer dringlicher die Frage, warum wir mit dieser besonderen Gunst bedacht werden.«
»Lasst mich sehen.«
Er zog den Brief aus der Tasche und gab ihn ihr. Sie runzelte die Stirn, während sie die Zeilen überflog. Dann las sie ihn offenbar erneut.
Schließlich sprach sie es aus. Es war offensichtlich, und die drei geflüsterten Worte ließen ihn ganz starr werden.
»Jemand weiß es.«
»Weiß was?« Er machte mit der Hand eine unruhige Geste.
Amelia blickte zu ihm auf. Ihre Wimpern senkten sich leicht, sie presste die Lippen zusammen, ehe sie antwortete. »Nun, ich vermute, jemand weiß etwas über uns.«
Die Musik hatte derweil wieder eingesetzt. Zu seiner Erleichterung schien niemand ihrer kleinen Unterredung allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Vielleicht war der Saal auch zu überfüllt, denn unter normalen Umständen hätte es viel Interesse hervorgerufen, wenn man ihn mit Amelia dabei ertappt hätte, wie sie die Köpfe zusammensteckten. »Über uns?«, fragte er, um etwas Zeit zu gewinnen.
»Nicht über die Nacht auf meinem Balkon, aber vielleicht über unsere Begegnung im Pavillon. Was ist, wenn Tante Sophia nicht die Einzige ist, die unseren Kuss beobachtet hat?«, fragte sie. Zwischen ihren zarten Brauen zeichnete sich eine steile Falte ab. Sie sah einfach bezaubernd aus in ihrem grünen Kleid und mit den dunkelgoldenen Haaren, die im Kerzenlicht schimmerten. »Es besteht eine gewisse Parallele zwischen unserer Begegnung an jenem Abend und den Ereignissen, die vor vielen Jahren geschehen sind. Findet Ihr nicht auch?«
Alex blickte sie an. Er war verblüfft über die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme. Nach einem kurzen Moment bemerkte er trocken: »Ich wüsste nicht, dass ich die Sache schon mal aus dieser Perspektive betrachtet hätte.«
»Sie teilten eine verbotene Leidenschaft füreinander.« Amelia zuckte leicht mit den Schultern, hielt seinem Blick jedoch stand. »Wir haben uns heimlich getroffen, obwohl wir beide wissen, dass es unseren Familien nicht gefallen würde. Und das weiß jemand.«
Das Wort Leidenschaft aus dem Mund einer jungen Frau zu hören, ließ eine gewisse Sorge in ihm aufkeimen. Aber während ihrer morgendlichen Ausritte hatte er entdeckt, dass sie es nicht nötig hatte, zu kokettieren. Sie war bemerkenswert
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