Eine skandalöse Braut
merkwürdiges Verhalten. Nein, er sollte lieber von seinem Fehlverhalten sprechen.
»Du siehst wie der personifizierte Teufel aus, weißt du das?« Michael hockte über einem Becher mit Bier. Der schale, unangenehme Geruch lag wie ein Leichentuch über dem heruntergekommenen Schankraum. Der Boden war klebrig und die Gegend eher erbärmlich. »Hast du in letzter Zeit überhaupt geschlafen?«
Das hatte er eigentlich nicht. Er hatte seine Zeit damit verbracht, zwischen London und Cambridgeshire hin und her zu reiten; zwischendurch war er lediglich in ein Herrenhaus eingebrochen und hatte die Tochter eines bekannten Earls verführt.
»Bist du mein Freund oder meine Mutter?«, fragte Alex sauer. »Man muss nicht besonders helle sein, um zu sehen, wie müde ich bin. Weshalb ich mich wiederum frage, was zur Hölle wir hier suchen.«
Als Alex in seinen Klub kam, weil er eine warme Mahlzeit und etwas zu trinken brauchte, war Michael just in diesem Augenblick aus dem Gebäude gekommen und hatte vorgeschlagen, sie könnten stattdessen in einem kleinen Gasthaus einkehren, das er gut kannte. Da sein Freund stets unberechenbar war, überraschte ihn diese verrufene Spelunke nicht im Geringsten. Als Michael sich dann auch noch in der Kutsche in einen schäbigen Mantel zwängte und Alex riet, seine Krawatte abzulegen, hatte er sich auf einen interessanten Abend eingestellt.
Michael machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wie ich bereits sagte, ich warte auf eine kleine Mitteilung. Es wird nicht allzu lange dauern.«
»Was für eine Mitteilung?«
Michael lächelte bloß. »Ich darf also annehmen, es wäre gut für dich, wenn du bald ins Bett kommst?«, murmelte er.
»Ein Bett ist Teil meines Problems«, brummte Alex.
Zwei stämmige Raufbolde brachen in einer Ecke des Raums beim Würfelspiel in einen erhitzten Streit aus. Michael grinste bloß, selbst dann noch, als einer der beiden ein übel aussehendes Messer zog und seinem Gegenspieler Obszönitäten an den Kopf warf. »Ich verstehe«, knurrte der sonst so tadellos gekleidete Marquess of Longhaven. »Im fraglichen Möbelstück hat wohl auch eine Lady gelegen? Ich glaube, ich kann wohl auch zu der exakten Schlussfolgerung kommen, wer sie ist. Wann findet die Hochzeit statt?«
»Dass du einfach darauf schließt, es müsse eine Hochzeit geben, ist nicht gerade schmeichelhaft.« Wenn das Bier nicht so schal gewesen wäre, hätte Alex jetzt einen Schluck getrunken. Aber er war einfach zu erschöpft, es wäre nicht klug, sich mit Alkohol zu benebeln.
»Du warst es, der erst vor Kurzem über die Liebe gesprochen hat. Nach dem Kuss, dessen Zeuge ich wurde, und den neusten Gerüchten über einen irgendwie denkwürdigen Walzer, den der ton höchst neugierig beobachtet hat, brauche ich keine besonders große Intelligenz, um ein paar eindeutige Schlüsse zu ziehen. Sie hat die Stadt verlassen, und kurz darauf bist du verschwunden.« Michael lehnte sich entspannt auf seinem Stuhl zurück. Er schien von dem tödlichen Kampf um die Würfel unbeeindruckt. Er hob einfach seine Stimme über den Krach. »Ich kenne dich. Dieses tief verwurzelte Ehrgefühl war schon immer eine deiner größten Schwächen, Alex.«
Es war typisch für Michael, so beiläufig über Ehre zu sprechen, als handele es sich um eine Schwäche. Dabei war er einer der ehrenwertesten Männer, die Alex kannte. Er hatte vielleicht ein etwas anderes Verständnis von Ehre, aber seine Arbeit brachte es mit sich, dass sich die moralischen Grundsätze wie Treibsand veränderten. Alex atmete heftig aus. »Ich will Amelia heiraten, das ist nicht das Problem. Ich fürchte eher, ihr Vater könnte ablehnen.«
»Er muss seine Zustimmung geben, soweit ich dich verstanden habe.«
»Dann erklär mir doch mal bitte, wie ich um ihre Hand anhalten soll, ohne dass es daraufhin zu Handgreiflichkeiten oder Schlimmerem kommt. Im Übrigen will ich ihr diese Konfrontation nicht antun. Es brächte sie nur in Verlegenheit.«
»Ich verstehe dein Problem«, gab Michael zu.
»Wegen der bestehenden Feindschaft zwischen ihm und meinem Vater kenne ich diesen Mann nicht. Was Amelia mir erzählt hat, deutet darauf hin, dass er ihrem Urteil kein Gehör schenken wird. Ich muss zugeben, ich bin hin- und hergerissen. Soll ich sie nach Schottland schleppen, wie mein Bruder und ihre Tante vorgeschlagen haben? Sonst bliebe nur, zu Lord Hathaway zu gehen und mit aller gebührenden Bescheidenheit um ihre Hand anzuhalten. Es ist ein schreckliches
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