Eine skandalöse Braut
groß und drall. Ihre dunklen Haare wurden von ersten grauen Strähnen durchzogen. »Lady Amelia ist sehr schön. Sie hat so etwas Junges, Frisches. Er bewundert Kunstwerke, ob nun aus Fleisch und Blut oder in anderer Form. Er liebt vom Nebel umschlossene Berggipfel ebenso wie malerische Sonnenuntergänge hinter antiken Ruinen. Obwohl ich zugeben muss, dass er sich eher zu Aktbildern und symbolischer Bildsprache hingezogen fühlt.«
»Symbolische Bildsprache?«
»Göttinnen und mythische Kreaturen, so etwas. Sein Großvater hat auch einige Bilder dieser Art gemalt. Mit den neoklassischen Darstellungen verdiente er sich das tägliche Brot, die Porträts waren seine wahre Liebe, aber seine Kunst kam erst richtig zur Geltung, wenn er seiner Fantasie freien Lauf ließ. Er hat in jedes seiner Bilder ein fantastisches Element einfließen lassen.«
»Das klingt, als hättest du ihn gut gekannt.« Sophia sagte es leichthin, während sie ihren Blick über die Leute schweifen ließ, die sich vor den Gemälden drängten.
»Ich kannte Simeon.«
»Della«, sagte Sophia vorwurfsvoll.
»Es kommt darauf an, was du unter kennen verstehst.« Lady Bosworth zupfte mit leichter Hand an der Spitze herum, die ihren Ausschnitt umspielte. »Ich weigere mich, mehr über unsere Beziehung zu verraten. Außerdem war das, bevor ich Gordon heiratete.«
Kurz gesagt, sie waren einst Liebhaber gewesen. Sophia war nicht überrascht. Della war schon immer etwas zwanglos gewesen, und ein extravaganter Künstler wäre genau die Art Mann, die sie für eine Affäre wählen würde.
»Kommt es nicht immer darauf an, wie man etwas definiert?«, fragte Sophia daher vorsichtig.
»Natürlich, Liebes, das tut es. Und deine hübsche Nichte? Wir sollten sie auf jeden Fall dazu bringen, für Freddie Modell zu sitzen. Als Athene oder eine der Musen wäre sie einfach atemberaubend. Oder stell sie dir nur als unnahbare Venus vor.«
»Oh, wie ich sehe, hast du den neuesten Klatsch gehört.«
»Das stimmt. Bitte sag mir, dass sie nicht Westhope favorisiert. Er ist ja ganz nett, aber viel zu langweilig. Er hat nicht das kleinste bisschen Verstand.«
»Oh nein«, erwiderte Sophia rasch. Sie beobachtete den Earl. Er wich Amelia nicht von der Seite. Zusammen sahen sie wirklich hübsch aus. Sie waren beide recht blass, und sein gutes Aussehen unterstrich noch ihre Schönheit. Aber sie musste zugeben, dass er nicht annähernd so gut zu ihr passte wie der teuflisch dunkle Alexander St. James, wenn Amelia in seinen Armen lag. »Sie hat sich bereits in einen anderen verliebt.«
»Sie liebt ihn? Ausgezeichnet.« Della fragte nicht einmal, wer er war, sondern beobachtete weiter das Treiben im Raum. »Das hat sich zu einer schönen Veranstaltung gemausert. Ich habe gezögert, dies hier zu organisieren, weißt du? In den letzten Jahren bin ich für mich geblieben, und die Einsamkeit wurde im Laufe der Zeit zu meiner Freundin. Aber als ich hörte, Freddie werde Simeons Arbeiten ausstellen, habe ich gedacht, das sei vielleicht der richtige Zeitpunkt, um das Haus wieder zu öffnen. Diese Ausstellung muss anständig ausgerichtet werden. Später werden die Werke in verschiedenen Museen von York bis Bath ausgestellt, aber das Wichtigste ist die erste Präsentation. Da ist mir ein kleiner Coup gelungen, findest du nicht?«
»Unbedingt. Du hast jede bedeutungsvolle Persönlichkeit eingeladen … und einige, die nicht so bedeutend sind.« Der Wein war vorzüglich, nicht übermäßig süß und recht süffig. Da sich ihr gerade die Gelegenheit bot, mit der Gastgeberin ungestört in einer Ecke zu stehen, fügte Sophia hinzu: »Du hast schon immer das Bürgertum bevorzugt.«
»Ich wähle meine Freunde nicht aufgrund ihres Standes, Sophia. Du weißt das. In Italien bin ich einem äußerst appetitlichen jungen Gondoliere begegnet.« Ihr Lächeln war verschmitzt. »Du hast bestimmt bemerkt, dass ich mich eine Weile dort aufgehalten habe.«
»Das klingt zumindest nach einem guten Grund.« Sophia klang wehmütig. Leidenschaft war nicht bloß der Jugend vorbehalten. Sie hatte zuletzt recht häufig an Richard gedacht, aber das, was sie für ihn empfand, hatte einfach nichts mit dem stürmischen Verlangen zu tun, das sie einst mit William geteilt hatte. Natürlich war Freundschaft auch wichtig. Er wäre ein wunderbarer, aufmerksamer Gefährte und zweifellos auch ein umsichtiger Liebhaber.
»Es war wirklich schön, hat jedoch nicht lange gehalten.« Della zuckte mit den Schultern. Sie
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