Eine skandalöse Versuchung
Ohren wahrhaftig nicht trauen.
Sein Blick blieb hart. Er zog seine Brauen finster zusammen. »Möchtest du, dass ich es noch einmal wiederhole?«
»Nein, ich möchte viel lieber vergessen, dass eine derartige Unverschämtheit jemals an meine Ohren gedrungen ist.«
Er zeigte sich von ihrem Zorn gänzlich unbeeindruckt. »Das wäre unklug.«
Sie spürte, wie die Wut in ihr hochkochte; sie hatten beide leise gesprochen, aber ihr war mehr als klar, in welche Richtung sich dieses Gespräch bewegte. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und neigte so herablassend, wie es irgend ging, den Kopf. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden …«
»Keinesfalls.« Sein stählerner Griff umschloss ihren Ellenbogen; mit einem Kopfnicken wies er auf das andere Ende des Saals. »Siehst du diese Tür dort? Genau da werden wir beide jetzt hindurchgehen.«
Sie holte tief Luft und hielt den Atem an. Vorsichtig setzte sie an: »Mir ist bewusst, dass deine Erfahrung in gesellschaftlichen Kreisen …«
»Die gesellschaftlichen Kreise langweilen mich zu Tode.« Er sah auf sie herab; dann steuerte er unauffällig, aber überaus zielstrebig die geschlossene Tür an. »Daher bin ich auch keineswegs gewillt, mich deren Regeln zu beugen.«
Ihr Herz pochte heftig. Während sie in seine Augen blickte - die wie harte, haselnussbraune Edelsteine funkelten -, wurde ihr bewusste, dass sie hier nicht mit einem zahmen, sondern mit einem überaus wilden Wolf spielte. Der zudem keinerlei Regeln akzeptierte außer die eigenen. »Du kannst mich doch nicht so einfach …«
Entführen. Entehren.
Die Entschlossenheit in seinem Blick verschlug ihr den Atem.
Er sah sie unbeirrt an - einschätzend, wertend -, während er sie zugleich souverän durch den überfüllten Raum lenkte. »Ich schlage vor, wir begeben uns an einen Ort, wo wir vertraulich über unsere Beziehung sprechen können.«
Sie hatte schon öfter vertraulich mit ihm gesprochen - kein Grund, dass ihr Herz bei dem schlichten Wort einen solchen Satz
machte. Und ihre Fantasie sogleich mit ihr durchging. Wütend über sich selbst, unternahm sie einen neuerlichen Versuch, die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Nun gut. Ganz meine Meinung. Offenbar müssen wir unsere divergierenden Ansichten einmal aussprechen und gewisse Dinge klarstellen.«
Sie würde ihn nicht heiraten; diese Tatsache musste er ein für alle Mal akzeptieren. Solange sie dies nachdrücklich genug betonte und eisern daran festhielt, konnte ihr gar nichts passieren.
Sie erreichten besagte Tür, und er hielt sie ihr auf. Leonora betrat einen Korridor, der von hinten an die Empfangssäle grenzte. Der Gang war gerade breit genug, dass man zu zweit nebeneinanderhergehen konnte. Die eine Wand war mit Reliefen verziert, zwischen denen mehrere Türen eingelassen waren, die andere Wand bildete eine lange Fensterfront, welche die privaten Gärten überblickte. Im Frühjahr und Sommer, wenn die Fenster geöffnet waren, würde sich der Gang in einen beliebten Aufenthaltsort verwandeln, wo die Gäste auf und ab flanieren konnten. Doch an einem kalten, windigen Abend wie diesem, der sogar mit Frost drohte, waren alle Fenster und Türen verschlossen; der Korridor lag völlig verlassen da.
Das einfallende Mondlicht war hell genug, um den Gang einigermaßen erkennen zu lassen. Die Wände waren aus Stein, die Türen aus massiver Eiche. Nachdem Trentham die Tür hinter sich geschlossen hatte, standen sie in einer völlig abgeschiedenen, silbrig schimmernden Welt.
Er ließ ihren Arm los und hielt ihr stattdessen seinen hin; sie tat so, als würde sie es gar nicht bemerken. Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie langsam den Gang hinunter. »Der wesentliche Punkt, den wir zu besprechen haben …«
Sie brach ab, als er besitzergreifend ihre Hand umfasste. Sie blieb stehen und betrachtete ihre Finger, die von seiner Hand beinahe verschlungen wurden.
»Das hier«, ihre Augen verweilten bei dem Anblick, »ist ein hervorragendes Beispiel für das Problem, welches wir dringend besprechen
müssen. Du kannst nicht einfach so herumlaufen und ständig meine Hand ergreifen, so als würde ich dir in irgendeiner Weise gehören …«
»Das tust du aber.«
Sie sah auf. Blinzelte. »Wie bitte?«
Tristan erwiderte ihren Blick; er hatte nichts dagegen, ihr diesen Sachverhalt näher zu erklären. »Du. Gehörst. Mir.« Es tat gut, diese Tatsache auszusprechen, ihren Wahrheitsgehalt zu bekräftigen.
Ihre Augen weiteten sich; er fuhr
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