Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
Vom Netzwerk:
mit blutenden Füßen, blutüberströmtem Gesicht,
zerlumpt, braun und beschmutzt in der Gewalt der Japaner gesehen hatte?
    Doch da nahm er eine für sie so
bezeichnende Kopfwendung wahr, und ihn überkamen alle Erinnerungen von einst.
Es war Mrs. Boong, es war die unvergeßliche Mrs. Boong... Aber seine Gefühle in
entsprechende Worte zu kleiden, war dem Stockman aus Queensland nicht gegeben.
Er lächelte ein etwas albernes Lächeln und sagte: «Hallo, Miss Paget!»
    Bewegt griff sie nach seiner Hand. «Oh,
Joe!» stieß sie hervor.
    Er drückte die ihre, sah ihr in die
Augen und fragte: «Wo wohnen Sie? Seit wann sind Sie hier?»
    «Ich wohne im ‹Strandhotel›.»
    «Ach, da wohne ich ja auch: da logiere
ich immer.»
    «Ich weiß», sagte sie, «ich weiß von
Mrs. Smythe.»
    Dies und sonst noch einiges dünkte ihn
rätselhaft, aber eins nach dem andern!
    «Einen Augenblick! Ich hole nur mein
Gepäck. Wir können dann miteinander fahren.»
    «Aber, bitte, nicht im Bus. Draußen
wartet ein Taxi.»
    Auf der Fahrt zur Stadt fragte sie ihn:
«Wie war Mr. Strachan, Joe?»
    «Bonza. Ich habe sogar bei ihm wohnen
können, in seinem Gästezimmer.»
    «Wirklich?!»
    Ich hatte ihr nichts davon geschrieben,
da das Wiedersehen nahe bevorstand und ich mich auf das Wichtigste beschränken
wollte.
    «Wie lange hat denn der Aufenthalt in
England gedauert, Joe?»
    «Zirka drei Wochen.»
    Er nannte sie nicht beim Vornamen wie
sie ihn, und sie fragte ihn nicht nach dem Grund seiner Englandreise; das ging
den Chauffeur da vorne nichts an, fand sie.
    Er aber wollte gleich wissen: «Was
haben Sie in Australien zu tun, Miss Paget?»
    Sie lenkte ab. «Wußten Sie nicht, daß
ich hier bin?»
    Er schüttelte langsam den Kopf. «Mr.
Strachan hat mir weiter nichts verraten, als daß Sie in den Osten gefahren
sind. Als ich Ihren Brief in Brisbane bekam, war ich platt, mein Wort darauf!
Jetzt sagen Sie bloß: Was haben Sie in Australien verloren?!»
    Ein zartes Lächeln spielte um ihre
Lippen, als sie versetzte: «Und was haben Sie in England verloren?»
    Da war er still. Er hätte gern eine
Ausrede vorgebracht, fand aber keine. Ihr Lächeln blieb, und während sie vom
Stadtrand an den Kirchen vorüber zum Zentrum fuhren, meinte sie: «Da bedarf
einiges der Aufklärung, Joe, nicht wahr? Aber erst im Hotel. Es wird sich schon
ein Plätzchen finden, wo wir in Ruhe sprechen können.»
    Sie schwiegen.
    Im «Strandhotel» fand er ein Zimmer.
Joan hatte eines mit Ausgang auf eine nach Osten gelegene Veranda, von der aus
man bis hinter Kap Grafton auf einen dschungelbedeckten, unwegsamen Höhenzug
sah. Sobald sich Harman in seinem Zimmer gewaschen und umgezogen hatte, wollten
sie sich hier treffen, und da Miss Paget mit australischen Gewohnheiten nun
schon etwas vertraut war, fragte sie vorsorglich: «Wie wäre es mit einer Flasche
Bier? Oder zweien?»
    «Gu-u-ut! Er lachte zufrieden, und sie
bestellte beim Zimmermädchen Doris vier Flaschen: drei für Joe und eine für
sich. In diesem ausdörrenden Klima sind große Mengen kalter Getränke eine
Notwendigkeit, und sie empfand es geradezu als ein Symbol Australiens, daß ihre
erste gefühlvolle Aussprache bei vier Flaschen Bier erfolgen sollte.
    Sie zog zwei Liegestühle in das Stück
Schatten vor ihrem Schlafzimmer. Joe und das Bier fanden sich ungefähr
gleichzeitig ein, und als das Zimmermädchen verschwunden war, bat Joan: «Nun
lassen Sie sich einmal anschauen, Joe!»
    Er stellte sich vor sie hin, und sie
betrachteten einander. In Malaya hatte er nicht geahnt, daß sie so schön sein
könne.
    Sie aber sagte: «Unverändert, Joe!
Verursacht der Rücken Beschwerden?»
    «Kaum. Gott sei Dank hindert er nicht
beim Reiten. Bloß schwere Gewichte darf ich nicht heben. Im Spital hat’s
geheißen, ich werde das nie mehr können; ich soll es erst gar nicht drauf
ankommen lassen.»
    Sie faßte nach seiner Rechten und
betrachtete die tiefen Narben des Handrückens und der Handfläche. «Und was ist
damit, Joe?»
    «Das ist verheilt. Ich kann wieder
zupacken, ich kann den schwersten Lastwagen chauffieren!»
    Sie wandte sich zum Tisch. «Ein Bier
gefällig?» Und füllte ihm ein Glas. «Auf so einem Flug von Brisbane bis hierher
bekommt man Durst.»
    Er leerte das halbe Glas. «G-u-u-ut!»
Sie setzten sich in die Liegestühle, und er bat: «Erzählen Sie, wie es Ihnen
ergangen ist! Sie wollen zwar nicht von Malaya reden; Sie haben recht! Ich will
auch nicht mehr dran denken. Ich möchte bloß wissen: Was war

Weitere Kostenlose Bücher