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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Baugelände von Willstown bereitete die Raumfrage keine
Schwierigkeiten.
    Tim Whelan ließ die Pläne sogleich
durch den Bezirksschreiber Carter genehmigen, worauf sie sich das in Aussicht
genommene Gelände an der Hauptstraße in Erbpacht zuweisen ließen.
    «Die Lage ist gut», hatte Tim erklärt.
«1905 ist dort eine ganze Häuserreihe gestanden; ich kann’s Ihnen auf der
Fotografie zeigen. Aber damals hat kein Mensch Pacht zahlen müssen.»
    Als Joan nach dem derzeitigen
Pachtbetrag fragte, wußte der Schreiber selbst nicht recht, wieviel er ansetzen
sollte.
    «Hier am Ort geht es nicht nach
Quadratfuß. Da Sie das Terrain bebauen wollen — sagen wir: per hundert Fuß
Front einen Shilling im Jahr! Es ist immerhin die Hauptstraße! Hätten Sie es
für Hühnerzucht oder so etwas haben wollen, so hätte ich Ihnen fünf Shilling
berechnen müssen.»
    Der Abschluß wurde in der Hotelbar mit
einer Runde Bier begossen. Joan saß inzwischen draußen auf den Treppenstufen,
wie sich dies in Willstown für eine Lady, die auf ihren guten Ruf hält, gehört.
Eine Woche danach flog sie nach Brisbane.
    Dort blieb sie drei Tage, bestellte
eine elektrische Ventilationsanlage, einen extragroßen Kühlschrank, zwei
Eismaschinen, einen blitzblanken stählernen Bartisch, acht Tischchen mit Glasplatte,
zweiunddreißig Stühle, zwei Spültische für die Küche, etliche Garnituren
Gläser, Teller, Platten und Bestecke; Kücheneinrichtung,
Beleuchtungsgegenstände, Kontakte, Sicherungen, Kabel und Draht, ordnete an,
daß alles in Kisten verpackt per Bahn nach Forsayth und von da auf Lastautos
nach Willstown spediert werde. Da ich ihr die erforderlichen Beträge angewiesen
hatte, konnte sie alles bar bezahlen, auch die von ihr für die Eisdiele
bestellten Vorräte. Bei ihrer Rückkehr stand an der Hauptstraße bereits das
Gerüst des Werkschuppens.
    Ein Holzbau wächst schnell. Schon nach
neun Tagen staunte ihn Willstown an. Die ältesten Männer umstanden
kopfschüttelnd den Sommernachtstraum der Engländerin, die als völlig Fremde in
der Gulf Country Schuhe herzustellen und zum Verkauf bis nach England zu senden
gedachte! Sie waren zu gutmütig, abfällige Bemerkungen laut werden zu lassen
oder sich darüber lustig zu machen, und doch umgab in jenen ersten Wochen eine
Wolke von Zweifel und Unglauben das überspannte Unterfangen, und Joan fühlte
sich schrecklich allein.
    An einem der ersten Sonntage, als die
Bauarbeit ruhte, begab sie sich nach Midhurst. Joe Harman hatte sie in
frühester Morgenstunde mit seiner großen Utility aus Willstown abgeholt, um mit
ihr rechtzeitig zum Frühstück auf dem Gehöft zu sein. Kaum aber hatten sie die
letzten Häuser Willstowns hinter sich gelassen, als er anhielt und sie küßte.
Nach fünf Minuten fuhren sie weiter.
    Daß es in dieser Gegend keine
Autostraßen gab, war für Joan nichts Neues mehr. Nun aber, bei ihrer ersten
Überlandpartie in der Gulf Country, entdeckte sie, daß ein «Weg» hier nichts
anderes war als ausgedörrtes Land, auf dem eben ein Wagen fuhr. Da und dort sah
man versengte Grasbüschel, in reichlichen Abständen spindeldürre, verzerrte
Eukalyptusbäume, bis zu zehn Meter hoch; dazwischen fuhren sie durch. Dort wo
der Boden allzu zerklüftet schien, suchte Joe einen anderen Weg. Alle
Wagenspuren aber wiesen in gleiche Richtung zur Furt durch das nächste
Flußbett, das trocken und steinig vor ihnen lag. Dahinter breiteten sich die
verschiedenen Radspuren wieder in Fächerform aus.
    Etwa alle zwanzig Meilen kam etwas Vieh
in Sicht, aber sobald es das Rattern des Fahrzeugs auf dem rissigen Boden
vernahm, stob es in wilder Flucht auseinander.
    «Wovon leben die denn um Himmels
willen?» fragte Joan und schaute suchend über das nackte Erdreich, aber der
Stockman beruhigte sie.
    Das Tussockgras, er meinte die
Grasbüschel, genüge den Tieren; es sei ihr Heu, und ein Stück abseits vom «Weg»
befände sich eine Wasserstelle. «Sie entfernen sich von dort nie weiter als
drei, vier Meilen. Die Pferde weiden oft zwanzig Meilen vom Wasser entfernt.»
    Beim Anblick dreier zwischen den Bäumen
davonhopsender braunbepelzter Gestalten schrie Joan auf: «Du, Joe, Känguruhs!»
    «Hier gibt’s keine Känguruhs»,
berichtigte er; «das sind Wallabys.»
    Hingerissen schaute sie den Tieren
nach. «Was ist denn für ein Unterschied zwischen dem Wallaby und dem Känguruh,
Joe?»
    «Der Wallaby ist kleiner. Ein
ausgewachsenes männliches Känguruh mißt aufgerichtet bis zu sechs Fuß,

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