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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Gesellschaft.
    Irgendwo draußen in Regen und
Finsternis kämpfte sich Joe zur Grenze seiner Besitzung durch. Zwei Männer, bis
auf die Haut durchnäßt, drei tiefende Pferde — und sie, sie vermochte nichts
als dazusitzen, zu warten...
    In diesen einsamen Stunden hat Joan so
manches gelernt: Wieviel Seelenstärke die Frau auf einer Viehstation aufbringen
muß, sogar — dachte sie etwas ärgerlich — eine Frau mit einem Vermögen von
dreiundfünfzigtausend Pfund Sterling. Und sie lernte, daß ein Radio-Empfangs-
und -Sendegerät für eine solche Frau geradezu unentbehrlich ist. Wie gern hätte
sie in ihrer Verlassenheit ein paar Worte mit Jackie Bacon in Cairns
gewechselt! Sie lernte ferner, wie sehr es Einsame zu den Tieren zieht, und da
kam ihr plötzlich jene Abo-Frau in den Sinn, die sich nicht einmal bei einem
kurzen Aufenthalt im «Hotel Australien» von ihrem Kätzchen trennen konnte, und
als sie sich gegen neun Uhr zur Ruhe begab, verstand sie Olive, die braune Frau
Eddie Pages, die auf sie den Eindruck einer Schwachsinnigen gemacht hatte.
    Ein paar Romanmagazine lagen in der
Stube herum, zerknittert, zerlesen und voll Geschichten aus einer sehr anderen
Welt. Sie nahm eines auf, versuchte im Bett zu lesen, doch das Gedruckte
vermochte sie nicht zu fesseln, noch ihre Bangnis zu lindern. Der Regen hörte
auf und begann, hörte wieder auf, setzte wieder ein; sie schlief, wachte auf,
schlief, wachte, dämmerte ein, bis sie vor Morgengrauen ein Pferdegewieher
weckte, das draußen im Hof erscholl. Sie warf ihr Morgenkleid über, ging auf
die Veranda, knipste das Licht an, rief: «Wer ist da?»
    Ein Mann trat in den Lichtkreis vor den
Verandastufen. «Ich, Missy. Bourneville. Missa Hope zurück?» Er sprach mit so
starkem Akzent, daß sie ihn kaum verstand.
    «Kommen Sie herauf, Bourneville! Was
ist denn?»
    Der Mann — er war schwarz, etwa fünfzig
Jahre alt, sein Haupthaar grau, das Gesicht voll Narben und Runzeln — betrat
die Veranda und wiederholte: «Missa Hope zurück?»
    Nun verstand sie und antwortete:«Er ist
nach Windermere. Er war hier und ist nach Windermere. Was ist mit Mr. Harman geschehen,
Bourneville?!»
    Er antwortete: «Missa Harman am Rand.
Er Missa Curtis finden, er Bein brochen. Missa Harman, er schicken mich zurück,
Missa Hope holen, der Utility fahren an Rand, er Missa Curtis hinunter
bringen.»
    Joan ärgerte sich über sich selbst, daß
sie nicht verstand, was der Abo meinte. Er konnte nichts dafür. Eine aus der
Gulf Country hätte sogleich gewußt, was er wollte: es war dringend notwendig,
daß sie jedes Wort verstand, und sie bat freundlich: «Entschuldigen Sie,
Bourneville, sagen Sie das bitte noch einmal, aber langsam!»
    Bei der Wiederholung erfaßte sie den
Sinn und erklärte: «Mr. Hope ist nicht hier, sondern in Windermere.»
    Der Schwarze schwieg eine Weile und
fragte dann: «Kein weißer Mann hier fahren Utility?»
    «Können Sie die Utility chauffieren,
Bourneville?»
    «Nein, Missy.»
    «Kann einer der anderen Abos hier die
Utility fahren?»
    «Nein, Missy.»
    Ihr kam der Gedanke, sie solle nun
selber chauffieren und Bourneville ihr den Weg zeigen. Aber es war ein
schwieriges Unternehmen. Sie hatte nie einen Wagen besessen, sich nur
gelegentlich am Wagen irgendeines Bekannten versucht. Sie kannte die Griffe,
allein, ihre gesamte Praxis im Autofahren beschränkte sich höchstens auf fünf
Stunden. Sie war wütend auf sich, fühlte zerknirscht ihre Ohnmacht, steckte
nervös eine Zigarette an und dachte scharf nach. ‹Wenn ich es probiere und den
schweren Wagen kaputtfahre, ist niemandem geholfen.› Sie hatte noch niemals ein
so ungewöhnlich großes und breites Fahrzeug gelenkt. «Eine andere Möglichkeit
wäre: ich schicke Bourneville zu Pferd nach Willstown zum Polizeiposten, daß
sie ein Lastauto oder einen Fahrkundigen schicken. Der wäre frühestens in sechs
Stunden hier. Es dauert zu lang!›
    «Wie weit weg ist Mr. Harman,
Bourneville?» fragte sie aufgeregt.
    Er dachte nach. «Vier Meilen Bohrloch
vorbei.»
    Joe hatte einmal erwähnt, die neue
Bohrung befände sich zweiundzwanzig Meilen vom Gehöft entfernt. Bis zur
Unfallstelle war es also ein Weg von sechsundzwanzig Meilen.
    «Wie ist der Weg beschaffen?» fragte
sie. «Kommt man mit der Utility durch?»
    «Er bonza Weg bis Bohrloch.»
    Seine Versicherung schien ihr
glaubhaft. Die Bohrung hatte erst vor wenigen Monaten stattgefunden; sicherlich
waren zahlreiche Fahrten dorthin unternommen worden. Sogar im Regen

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