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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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dachte, ihr seid
lauter Boongs.»
    «Boongs?» fragte Joan zurück, und er
übersetzte: «Farbige. Sie sagen, Sie sind Engländerinnen, dinkydie? Direkt aus
England?»
    «Wenn ‹dinkydie› soviel wie ‹faktisch›
heißt, sind wir es faktisch. Das heißt, einige sind schon seit zehn bis
fünfzehn Jahren in Malaya, aber aus England kommen wir alle.»
    «Und die braunen Kiddies da? Lauter
Engländer?»
    «Samt und sonders.»
    Sein Lächeln wurde verschmitzt. «Ich
hätte nie gedacht, daß die erste englische Lady, mit der ich einmal sprechen
werde, so aussehen wird wie Sie.»
    «Na!» wehrte sich Joan. «Sie sind ja
auch nicht gerade ein Lord Brummel!»
    Der zweite Australier sprach mit einer
anderen Gruppe Frauen. Der erste wandte sich an Mrs. Frith und Mrs. Price, die
bei Joan standen: «Woher kommen Sie?»
    «Wir wurden in Kuala Panong
gefangengenommen, drüben an der Westküste, wo wir auf ein Schiff warteten.»
    «Ja, aber woher kommen Sie jetzt?»
    «Wir sind auf dem Marsch nach Kuantan»,
antwortete Joan.
    «Aber doch nicht von Panong, den ganzen
Weg!»
    Sie lachte kurz auf: «Wir waren Gott
weiß wo. Port Swettenham, Port Dickson, Tampin, Bahau... überall. Und nirgends
hat man uns gewollt. Meiner Rechnung nach sind wir an die fünfhundert Meilen
gelaufen.»
    «Mein Wort drauf!» rief der erste. «Das
ist ja unglaublich! Wo bekamt ihr denn euren Tucker?»
    «Tucker?» Auch dieses Wort war ihnen
unbekannt.
    «Ihr Essen.»
    «Abends im Dorf, wo wir haltgemacht
haben, jede zweite Nacht woanders. Jetzt müssen wir hier etwas suchen, In einem
Ort wie dem wird es wohl wieder ein Schulhaus sein. Wir essen, was man uns
gibt.»
    «Jesus! Ich werde gleich mit meinem
Kameraden sprechen. Augenblick! Du!» rief er zu dem zweiten hinüber: «Hast du
gehört, wie elend es denen gegangen ist? Laufen seit ihrer Gefangennahme! Sind
nie in ein Camp aufgenommen worden!»
    «Weiß alles!» gab der andere zurück.
    «Ja, und wenn jemand von Ihnen krank
war?» fragte der erste Australier, und Joan antwortete ironisch: «Wenn man
krank ist, wird man entweder gesund oder stirbt. Seit drei Monaten haben wir
keinen Arzt zu Gesicht bekommen. Medizin war auch selten zu finden. Da wurde
eben gestorben. Bei unserer Gefangennahme waren wir zweiunddreißig. Jetzt sind
wir siebzehn.»
    «Mein Wort...»Das war eine stehende
Redensart des Australiers, und der Ton, in dem er sie aussprach, zeugte in
diesem Augenblick von tiefer Gemütsbewegung.
    «Bleiben Sie heute nacht hier?» fragte
Joan.
    «Sie?» fragte er zurück.
    «Wir bleiben hier, auch morgen noch»,
antwortete sie, «es sei denn, eure Lastwagen nehmen uns mit. Einen Tag wandern,
den andern rasten wir; anders geht’s mit den Kindern unmöglich.»
    Der Aussie sagte darauf: «Wenn Sie hier
bleiben, Mrs. Boong, bleiben wir ebenfalls. Denn wenn es sein muß, können wir
diese verflixte Achse so reparieren, daß sie sich überhaupt nicht mehr dreht.»
Nach einigem Nachsinnen fragte er: «Sie haben keine Medizin? Was brauchen Sie
denn?»
    «Wenn Sie etwas Glaubersalz besorgen
könnten!» sagte sie eifrig.
    «Ist das alles?»
    «Wir haben natürlich keine Tabletten
und keine Pulver. Wir brauchen notwendig Chinin und etwas gegen die
Hautausschläge, die die Kinder bekommen haben. Gibt es hier so etwas?»
    «Es käme auf den Versuch an», sagte er
mit gewohnter Bedächtigkeit. «Haben Sie Geld?»
    «Nach sechs Monaten unter Japanern?»
fiel Mrs. Frith heftig ein. «Die haben uns alles, was wir nur hatten,
gestohlen; sogar unsere Eheringe.»
    «Ein bißchen Schmuck wäre noch da»,
sagte Joan beschwichtigend, «davon könnte man etwas verkaufen.»
    Er wehrte ab. «Erst habe ich noch einen
Gang vor: Wir wollen sehen, was sich machen läßt! Suchen Sie sich Ihre
Schlafstelle; wir sehen uns noch!»
    Sie ging zu dem Sergeanten, verbeugte
sich vor ihm, weil ihm das Freude und ihrem Anliegen geneigter machte, und
sagte (mit den entsprechenden Gesten): «Sie! Die Kinder — müssen yasme. Wo
yasme heut? Wann — mishi? Gehen zu — Headman für Yasme und Mishi! Sie und ich!»
    Er verstand das wohlüberlegte
Kauderwelsch, begab sich mit ihr zum Headman von Maran und stieß bei ihm zum
Glück nicht auf so energische Ablehnung, wie ihnen zuteil geworden war, als die
Gefangenenschar noch über dreißig Köpfe zählte. Ihre sehr verminderte Zahl
erleichterte eine Vereinbarung über Verpflegung und Unterkunft.
    Das Schulgebäude nahm sie auf, und
sogleich begannen die gewohnten häuslichen Arbeiten, vor

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