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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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wie!»
    «Unerfreulich?»
    «Sie drücken sich sehr gelinde aus»,
sagte er. «Wir haben ja auch in Australien Elendsviertel, aber so etwas denn
doch nicht! Da hat Vater, weiß Gott, gut daran getan, daß er weg und nach
Queensland ist.»
    Ich offerierte ihm ein Glas Sherry,
aber er wollte lieber Bier, und ich holte es aus der Küche.
    «Wann hat Ihr Vater England verlassen?»
fragte ich, als ich ihm eingoß.
    «1904; mit vierzehn Jahren ist er nach
The Curry zu Cobb & Co. und hat Postwagen kutschiert; es gab dort
damals noch keine Autos. Im ersten Weltkrieg hat er mit den Aussies auf
Gallipoli gekämpft.»
    «Lebt er noch?»
    «Ach», seufzte Joe, «er ist 1940
gestorben, kurz nachdem ich einrückte... Mutter lebt noch mit meiner Schwester
in Curry.»
    «Kennen Sie zufällig einen Ort mit
Namen Hall’s Creek?» fragte ich in Gedanken an Joans Großvater.
    «Wo das Gold war? Oben bei Wyndham in
Westaustralien?»
    «Kann sein. Wird dort immer noch nach
Gold gegraben?»
    «Ich glaube nicht, daß da jetzt noch
etwas los ist», erklärte er. «In den neunziger Jahren, ja, da gab es dort eine
Unmenge, genau wie in Queensland in der Gulf Country. Ich war zwar noch nie in
Hall’s Creek, aber ich denke, es wird dort so ähnlich wie in Croydon gewesen
sein; da hat’s massenhaft Gold gegeben, mein Wort darauf. Etwa zehn Jahre lang.
Danach mußten sie so tief graben, daß es sich nicht mehr gelohnt hat. In der
goldenen Zeit hatte Croydon dreißigtausend Einwohner, jetzt nur noch
zweihundert. Mit Normanton und Burketown ist es das gleiche, mit Willstown
auch. Das waren alles Goldstädte.»
    «Haben Sie vielleicht per Zufall einmal
etwas von einem gewissen Macfadden in Hall’s Creek gehört?»
    Er schüttelte den Kopf, und ich
erzählte ihm, ich hätte ein Billett für «Much-Binding-in-the-Marsh», und man
erwarte ihn Samstagabend im Senderaum zu einem Interview. Zögernd sagte er zu.
Ich habe die Sendung natürlich abgehört und fand, er machte seine Sache
überraschend gut. Der Ansager führte ihn mit einigen Worten ein, stellte ein
paar Fragen, und unser Ringer sprach etwa sieben Minuten über die Viehstation
Midhurst und das Land am Golf von Carpentaria, welches er Gulf Country nannte.
    Am nächsten Morgen hat mich dann noch
Marcus Fernie eigens angerufen und mir mitgeteilt, wie zufrieden man mit meinem
Schützling war. «Hätten wir nur öfters Typen wie den», meinte er. «Kuhwarm
schmeckt Milch am besten.»
    Am Sonntag, am Tag nach der Sendung,
setzte ich Joe in den Zug nach Taunton. Sehr viel Zeit blieb ihm für die
Besichtigung der Kühe Sir Dennis Framptons nicht. Das Schiff der
Shaw-Savill-Linie, für das wir ihm eine billige Koje besorgt hatten, fuhr schon
in derselben Woche, Freitag früh, von London nach Neuseeland und Australien.
Voll von den empfangenen Eindrücken kehrte er am Mittwoch aus Taunton zurück.
    «Diese Herefords! Das ist eine wahre
Pracht, eine bonza Herde, mein Wort darauf! Ich habe in den zwei Tagen mehr von
Qualität und Aufzucht gelernt als in der Gulf Country in zehn Jahren. Was der
da fertigbringt, das können wir auf einer Station wie Midhurst natürlich nicht,
aber es lohnt sich, darüber nachzudenken...»
    «Sie meinen über die Kreuzung?»
    «Ach, wir in der Gulf, wir achten ja so
gut wie gar nicht auf Qualität, jedenfalls nicht so sehr wie ihr hier in
England. Das einzige, was wir tun, ist, daß wir manchmal hinausreiten und die
kleineren, minderwertigen Stiere, soweit wir sie sehen, abschießen; auf die Art
bleiben die besten als Zuchtstiere übrig. Aber so eine Musterherde, wie Sir
Dennis sie hat, so eine möchte ich einmal bei uns draußen sehen! Solche Biester
habe ich bisher höchstens auf einer Ausstellung gefunden.»
     
    Nach dem Dinner lenkte ich das Gespräch
wieder auf Miss Paget. «Ich werde ihr auf alle Fälle Ihre Adresse mitteilen»,
erklärte ich. «Ich bin überzeugt, es wird ihr sehr leid tun, daß sie Sie hier
verfehlt hat. Ich nehme an: wenn Sie in Midhurst ankommen, finden Sie dort
einen Brief von ihr vor. Ja, darauf können Sie sich getrost verlassen. Ich
schreibe ihr per Flugpost und sie Ihnen gewiß auch.»
    Seine Augen hellten sich auf. «Aber ich
schreibe ihr nicht von hier aus», entschied er. «Wenn Sie schreiben, gut! Dann
warte ich, bis ich etwas von ihr höre. In einer Beziehung bin ich ganz froh,
daß ich sie hier nicht getroffen habe. Ich habe jetzt ein gutes Gewissen.»
    Es lag mir auf der Zunge, ihm zu
verraten, daß Joan in Australien sei, aber

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