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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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England bei sich zu sehen!
Im Hotel ist es gewiß nicht sehr angenehm; ich war allerdings noch nie dort.»
    «Es riecht nach Bier», sagte Joan. Sie
kannte bereits die strenge australische Sitte, nach der ein junges Mädchen sich
niemals erlauben durfte, eine Bar zu betreten, außer eine Milchbar.
    «Aber ich möchte Ihren Eltern keine
Umstände machen. So schön es wäre, ich —»
    «Es ist uns das größte Vergnügen», fiel
ihr Rose ins Wort. «Wir haben so selten Gelegenheit, jemanden zu sprechen, der
geradewegs von zu Hause kommt.»
    Auf dem Weg zu Sawyers trafen die
beiden Mädchen die jugendlich blonde Mrs. Maclean, die ihren Kinderwagen vor
sich herschob, begrüßten sie und das Baby, und Joan fragte: «Könnte ich Montag
in Ihrem Flugzeug einen Platz nach Cloncurry haben? Ich muß nach Willstown am
Golf von Carpentaria, um meinen Cousin zu besuchen.»
    «Ich denke, es geht», sagte die junge
Mutter und Herrin über Schwimmbad und Luft. «Ich lasse Sie für Montag
vormerken. Soll ich Ihnen auch die Weiterreise von Cloncurry bis Willstown
arrangieren lassen? Ich nehme an, Sie haben direkten Anschluß; im Büro wird man
das feststellen und, wenn Sie es wünschen, Ihnen einen Platz reservieren.»
    Joan nahm das Anerbieten freudig an.
    «Kommen Sie heute abend zum
Schwimmbad?» fragte die gastliche Dame.
    «Gewiß, sehr gern!» sagten Rose und
Joan.
    Das Haus Sawyer, ein reizender,
rosenumrankter Bungalow, stand inmitten eines Gartens voll englischer Blumen,
über denen der Rasensprenger Tag und Nacht seine sprühenden Kreise zog. Die
grauhaarige Mutter Sawyer hieß ihren Gast herzlich willkommen und meinte mit
der allen australischen weißen Bürgersfrauen eigenen Abneigung gegen Hotels:
«Hier ist es doch besser für Sie, Miss Paget, als in dem scheußlichen ‹Talbot
Arms›! Rose hat uns schon gestern von Ihnen erzählt. Seien Sie herzlich
willkommen! Es ist zu schön, jemandem von daheim zu begegnen!»
    Joan ging ins «Talbot Arms», um ihre
Rechnung zu bezahlen und ihr Gepäck zu holen, zuvor aber noch an der Post
vorbei. Dort kaute sie schier eine Viertelstunde am Federhalter und
verschmierte etliche Formulare, bis sie folgendes Telegramm an Joseph Harmann,
Midhurst bei Willstown, zustande brachte:
     
    erfuhr erst
jetzt sie überstanden kuantaner missetat bin beglückt stop momentan in
australien komme nächste woche willstown                    joan paget
     
    Dann holte sie ihren Handkoffer, fuhr
damit im Taxi zu Sawyers und verbrachte die nächsten vier Tage in deren
angenehmer Gesellschaft. Aber am dritten Tag schien es ihr nicht mehr möglich,
ihre lieben Gastgeber weiterhin anzulügen; sie mußte Rose und Mutter Sawyer
endlich sagen, was alles sie in Malaya hatte erleben müssen und warum sie Joe
Harman aufsuchen wollte, bat die beiden Damen, nichts weiterzuerzählen; es wäre
ihr schrecklich, wenn dann etwas davon in der Zeitung stünde, was jene sehr gut
verstanden. Sie baten nur, Joan möchte auch Mr. Sawyer nach dessen Rückkehr vom
Büro ihre Geschichte mitteilen. Dies geschah am gleichen Abend, und der Bankier
wußte beachtliche Dinge dazu zu bemerken.
    «Mr. Harman scheint einen guten Riecher
zu haben», meinte er. «Mit der Gulf Country ist zwar im Augenblick nicht viel
los, aber er ist ja noch jung, und bei uns in Australien ändern sich die Dinge
oft rasch. Vor zwanzig Jahren war Alice noch nichts, und schauen Sie es sich
heute an! Wir haben hier pro Jahr eine durchschnittliche Regenmenge von
fünfzehn Zentimeter, ein Viertel der Londoner! In der Golfgegend beträgt sie
annähernd achtundsiebzig, also mehr als in England, und das wird sich auf die
Dauer auswirken.» Er zog nachdenklich an seiner Shag-Pfeife. «Vorläufig nutzt
ihnen der Segen freilich noch wenig, weil alles auf einmal in zwei Monaten
herunterprasselt und ins Meer abfließt. Die Regenfälle verteilen sich nicht wie
bei euch in England aufs ganze Jahr. Aber letztes Jahr traf ich einen Kollegen
von daheim, der sagte mir: Auch in England würde gewiß das ganze Wasser
ungenützt in die See fließen, wenn nicht jeder Fluß etwa alle drei Meilen ein
Wehr hätte. Sehen Sie, das fehlt, von geringen Ansätzen abgesehen, bisher in
Australien: Sammel- und Staubecken für die Viehstationen.»
    Durch das Zusammensein mit der Familie
Sawyer erfuhr Joan unvermeidlicherweise auch von Roses Liebe zu Billy Wakeling,
der von Berufs wegen Wege und Straßen anlegte, sofern es zu bauen gab, und von
Roses heimlichen Plänen

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