Eine Tiefe Am Himmel
zufrieden. Es war das erste Mal in all den Jahren, dass Ezr gesehen hatte, wie etwas außerhalb ihres Fokus sie froh machte.
Sogar ihre Hände hielten ein paar Sekunden lang in ihrer ständigen Bewegung inne. Dann: »So. Was noch?«
Es dauerte einen Moment, bis die Frage Ezrs Verblüffung durchdrang. »Ah… hm.« Das war eigentlich der letzte Punkt auf seiner Liste gewesen. Aber hurra! Die Delitesse hatte ein Wunder gewirkt. »N-nur noch eins, Trixia. Etwas, das du wissen musst.« Vielleicht etwas, das du endlich verstehen kannst. »Du bist keine Maschine. Du bist ein Mensch.«
Doch die Worte machten keinen Eindruck. Vielleicht hörte sie sie nicht einmal. Ihre Finger tippten wieder auf ihren Tasten, und ihr Blick ging irgendwo in die Bilderwelt der Datenbrille, die er nicht sehen konnte. Ezr wartete ein paar Sekunden, doch was da immer an Aufmerksamkeit vorhanden gewesen war, schien verschwunden zu sein. Er seufzte und bewegte sich zurück zur Tür der Zelle.
Dann, vielleicht zehn oder fünfzehn Sekunden nach seinen Worten, schaute Trixia abrupt auf. Es war wieder Ausdruck in ihrem Gesicht, doch diesmal war es Überraschung. »Wirklich? Ich bin keine Maschine?«
»Ja. Du bist ein richtiger Mensch.«
»Oh.« Wieder Desinteresse. Sie wandte sich ihrer Tastatur zu und murmelte etwas in die Sprechverbindung zu ihren Mit-Blitzköpfen. Ezr glitt leise aus dem Zimmer. Früher hätte er sich von der Art, wie er kurz angebunden entlassen wurde, zerschmettert oder zumindest zurückgesetzt gefühlt. Aber… das war bei Blitzköpfen einfach normal. Und für einen Augenblick war er durchgedrungen. Ezr kroch durch die Kapillarkorridore zurück. Für gewöhnlich gingen ihm diese gewundenen, kaum schulterbreiten Röhren auf die Nerven. Alle zwei Meter eine andere Zellentür, rechts, oben, links, unten. Was, wenn hier jemals eine Panik ausbrach? Was, wenn sie das Gebäude jemals evakuieren müssten? Doch heute… kamen Echos zu ihm zurück, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er pfiff.
Anne Reynolt fing ihn ab, als er in den Hauptkorridor von Hammerfest herauskam. Sie stieß mit dem Finger auf den Tragebehälter, den er hinter sich her zog. »Das nehme ich.«
Verdammt. Er hatte vorgehabt, die zweite Delitesse bei Trixia zu lassen. Er gab Reynolt den Behälter. »Es ist gut gelaufen. Sie werden in meinem Bericht sehen…«
»Wirklich. Ich glaube, ich werde mir den Bericht jetzt gleich geben lassen.« Reynolt zeigte den hundert Meter tiefen Korridor hinab. Sie griff nach einem Wandvorsprung, drehte sich um hundertachtzig Grad herum und begann sich, Kopf voran, abwärts zu bewegen. Ezr folgte ihr. Wo sie an Öffnungen im Schacht vorbeikamen, schien das Licht von EinAus durch eine dünne Schicht von Diamantkristall. Und dann waren sie wieder in Kunstlicht, noch tiefer im Innern von Diamant Eins. Die Wandmosaiken sahen so frisch wie am Tag ihrer Herstellung aus, doch hier und da hatten Hände und Füße der Vorübergleitenden Schmutzstreifen hinterlassen. Es waren nicht mehr viele Blitzköpfe ohne Spezialausbildung übrig, nicht genug, um die Perfektion der Aufsteiger aufrechtzuerhalten. Am Grunde des Schachtes wandten sie sich zur Seite, es ging noch immer leicht abwärts, doch sie kamen an geschäftigen Büros und Labors vorbei, die Ezr jetzt alle vertraut waren. Die Blitzkopf-Klinik. Dort war Ezr bisher nur einmal gewesen. Sie wurde streng bewacht, streng kontrolliert, war aber eigentlich kein verbotenes Gebiet. Pham war dort häufig zu Besuch, Trud Silipans großer Freund. Doch Ezr mied den Ort; dort wurden Seelen gestohlen.
Reynolts Büro lag wie schon immer am Ende des Labortunnels hinter einer schmucklosen Tür. Die ›Direktorin für menschliche Ressourcen‹ setzte sich in ihren Sessel und öffnete den Behälter, den sie Ezr abgenommen hatte.
Vinh gab vor, völlig gelassen zu sein. Er schaute sich im Büro um. Nichts Neues, dieselben rauen Wände, die Packkisten und die scheinbar lose Ausrüstung, die immer noch – nach Jahrzehnten der Wache – ihre hauptsächliches Mobiliar waren. Selbst wenn man es ihm nicht gesagt hätte, wäre Ezr längst selbst darauf gekommen, dass Anne Reynolt ein Blitzkopf war. Ein wundersamer, auf Menschen ausgerichteter Blitzkopf, aber eben ein Blitzkopf.
Reynolt war offensichtlich vom Inhalt des Behälters nicht überrascht. Sie roch an der Delitesse mit dem Gesichtsausdruck eines Baktreitechnikers, der Schleimferment einschätzt. »Sehr aromatisch. Zuckerzeug und Junk-Food sind
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