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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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saß und gemächlich einen Wermut mit Soda trank.
    »Wo sind die anderen, Pepe?«, fragte Hans ihn.
    »Im Spiele-Pavillon. Walter hat Rainer zu einer Partie Schach herausgefordert, und die Erwartungen waren sehr hoch. Ich glaube, es wurden sogar Wetten platziert.« Carmona musterte ihn von oben bis unten. »Hör mal, wofür hast du dich denn so schick gemacht? Du siehst aus wie ein Dandy …«
    »Ich fahre übers Wochenende weg«, antwortete Hans mit schüchternem Lächeln.
    »Du tust was …?«
    »Ich habe mich schon zu lange hier in Costa Dorada eingesperrt, deshalb habe ich beschlossen, das Wochenende in München zu verbringen. Ich fahre in einer Stunde los.«
    Carmona runzelte die Stirn und sah ihn lange an, dann stellte er seinen Wermut auf den Tisch und bedeutete Hans mit einer Geste, sich neben ihn zu setzen.
    »Ich werde dir etwas gestehen, Hans«, sagte er, während sein Freund neben ihm Platz nahm. »Weißt du, wann ich geboren wurde? Im Jahre 1943.«
    »Aber dann«, mit offenem Mund rechnete Hans im Geiste schnell nach. »Dann bist du ja … 165 Jahre alt!«
    »Ich habe von Natur aus eine hohe Lebensdauer. Als ich mit der Bartov-Behandlung begann, war ich bereits fast einhundert Jahre alt. Damals war sie nur eine experimentelle Technik, aber bei mir funktionierte sie sensationell gut. Nach zwei Jahren Therapie besaß ich Aussehen und Gesundheit eines Fünfzigjährigen. Augenscheinlich gibt es Menschen, bei denen die Bartov-Behandlung besonders gut anschlägt, und ich bin einer von ihnen. Die Ärzte sagen, dass ich zweihundert Jahre alt werden kann, oder zweihundertfünfzig, vielleicht sogar dreihundert … Sie haben keine Ahnung. Wer weiß, vielleicht bin ich unsterblich.«
    »Das ist ja fantastisch …«, flüsterte Hans verblüfft.
    »Findest du wirklich?« Carmona stieß einen Seufzer aus. »Ich wäre mir da nicht so sicher. Ich wurde in einer Welt geboren, die mit dieser hier nichts zu tun hat, Hans. Es gab weder Computer noch Raumstationen, noch 3D-Fernsehen …« Er lächelte dünn. »Zum Teufel, das Fernsehen war noch nicht einmal in Farbe. Trotzdem, damals schien alles einfacher. Du wusstest, wo dein Platz auf der Welt war, wer die Deinen waren und welche Ideale es zu verteidigen lohnte. Aber dann … Nun, Franco starb, die Demokratie kam nach Spanien, Spanien wurde ein Teil Europas, Europa wurde zu einer Föderation … und eines schönen Tages merkte ich, dass ich nicht mehr wusste, wo ich eigentlich war. Damals lebte ich in Madrid, weil die Bartov-Technik nur in einer Klinik dort und in einer weiteren in Barcelona angewandt wurde. Dann begann auch Costa Dorada mit dieser Methode zu arbeiten, und ich kehrte nach Andalusien zurück. Obwohl ich etwa dreißig Häuser besitze, blieb ich schließlich hier in der Kolonie wohnen, als einer der Pensionäre. Weißt du warum? Weil ihr, eine Hand voll Deutsche, das Einzige seid, was von meiner Welt noch übrig geblieben ist.«
    Carmona hielt inne, um einen Schluck Wermut zu trinken. Hans betrachtete ihn schweigend und ein wenig erstaunt. Warum erzählte er ihm das alles?
    »Zur großen Verzweiflung meiner Kinder, Enkel, Urenkel und Ururenkel«, fuhr der Spanier fort, »kümmere ich mich immer noch selbst um meine Firmen. Deshalb sehe ich mich von Zeit zu Zeit gezwungen, die Kolonie zu verlassen. Und weißt du was? Jedes Mal, wenn ich nach Málaga fahre oder nach Madrid oder nach London oder irgendwo anders hin, hat das, was ich sehe, nichts mit der Welt zu tun, in der ich geboren wurde«, er machte eine allumfassende Handbewegung in Richtung der Landschaft, die von der Terrasse aus zu sehen war. »Das, was außerhalb der Kolonie liegt, ist nicht mehr Spanien«, sagte er, »und das Gleiche gilt für Deutschland, für Europa, für den ganzen Planeten. Nichts ist mehr, wie es war.« Er schloss die Augen, als habe ihn plötzlich Müdigkeit überwältigt. »Willst du einen Rat, Hans?«, sagte er mit leiser Stimme, »das München, in das du zurückkehren willst, findest du nicht in München – es ist im Nemo-Saal.«
    Die Worte erstarben auf Carmonas Lippen, und der alte Mann schien eingeschlafen zu sein, obwohl die Bewegungen seiner Pupillen hinter den Augenlidern diesen Eindruck Lügen straften. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus wie ein schwerer Vorhang aus dunklem Samt. Ohne ein Wort stand Hans auf und verließ die Sommerterrasse. Doch statt zum Spiele-Pavillon zu gehen, um sich von den übrigen Bewohnern zu verabschieden, kehrte der alte

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