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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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lächelte nur.
    »Das wollen wir auch gar nicht«, erwiderte er ruhig. »Nehmen Sie doch bitte Platz. Möchten Sie einen Kaffee trinken oder etwas anderes?«
    »Ein Wasser, bitte«, erstaunt und ein wenig verunsichert über die freundliche Behandlung setzte Philipp Döring sich auf den angebotenen Stuhl. Pia goss ihm ein Glas ein und stellte es vor ihm auf den Tisch.
    »Sie kommen direkt aus Buenos Aires«, begann Bodenstein,nachdem der junge Mann einer Tonbandaufzeichnung ihres Gesprächs zugestimmt hatte. »Wieso?«
    »Ich habe erfahren, dass mein Vater einen Unfall hatte«, sagte Döring junior. »Ich muss mich um die Geschäfte kümmern, bis er das wieder selbst tun kann.«
    »Ja, eine böse Sache«, Bodenstein nickte. »Er wurde mit Stromstößen gefoltert und anschließend auf fachmännische Weise entmannt.«
    Philipp Döring, der gerade das Glas ansetzen wollte, ließ es wieder sinken. Sein Unterkiefer sackte herab, und sein Mund stand offen.
    »Ach, das wussten Sie noch gar nicht?« Bodenstein lehnte sich zurück. »Ja, da war wohl jemand ziemlich wütend auf Ihren Vater. Er hat sich offenbar viele Feinde gemacht.«
    Pia lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und grinste leicht. Jetzt durchschaute sie die Strategie ihres Chefs.
    »Feinde?«, wiederholte Philipp Döring, weiß wie die Wand.
    »Man hat ihn nachts aus seinem Haus entführt, nachdem man die Hunde betäubt hatte«, fuhr Bodenstein fort. »Das müssen sehr entschlossene und skrupellose Leute gewesen sein. Ich meine, da gehört schon etwas dazu, einem Mann bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein die ...«
    »Hören Sie auf!«, der junge Döring sprang auf, seine Hände zitterten. »Das ist ja widerlich!«
    »Bevor Sie sich so leichtfertig um die Geschäfte Ihres Vaters kümmern, würde ich mich an Ihrer Stelle erst mal bei ihm erkundigen, was dazu geführt hat«, Bodenstein tat mitfühlend. »Nicht, dass Sie der Nächste sind, den wir nackt und kastriert von einem Tor losschweißen müssen, an das man Sie angekettet hat. Stellen Sie sich vor, die hatten die abgetrennten Hoden Ihres Vaters in Formaldehyd eingelegt und in einem Glas vor seine Füße gestellt.«
    Befriedigt beobachtete er die Reaktion des jungen Mannes. Seine Menschenkenntnis hatte ihn nicht getrogen. Philipp Döring war kein sonderlich starker Mann. Auch wenn er versuchte, einen coolen Eindruck zu machen, so stand ihm die nackte Panik in den Augen.
    »Sie wollen mich einschüchtern«, flüsterte er.
    »Aber ganz und gar nicht«, Pia stieß sich von der Wand ab, ergriff einen Ordner und präsentierte ihm ungerührt die Fotos, die von Friedhelm Döring am Tor der Reitanlage gemacht worden waren. Philipp Döring warf nur einen kurzen Blick auf die Bilder, verzog angeekelt das Gesicht und sank wieder auf den Stuhl. Von Rachsucht keine Spur. Er wollte nur sein eigenes Leben in Sicherheit wissen.
    »Wo ist die Tochter von Isabel Kerstner?«, fragte Bodenstein.
    »Auf meiner Hazienda«, murmelte der junge Mann, ohne zu zögern. »Ich sorge dafür, dass man sie sofort nach Deutschland zurückbringt.«
    Über seinen Kopf hinweg wechselten Bodenstein und Pia einen zufriedenen Blick. Philipp Döring war ein Weichei.
     
    Bodenstein verließ den Verhörraum und ging in sein Büro. Ihm war die Frau eingefallen, die am frühen Samstagvormittag mit Isabel gesprochen hatte. Er tippte die Handynummer von Thordis Hansen in sein Telefon, und diese meldete sich beinahe sofort.
    »Hallo, Geheimniskrämerin«, sagte Bodenstein zur Begrüßung.
    »Wieso das?«, erwiderte Thordis, ihre Stimme klang belustigt. »Ich dachte, Sie, als Kripomensch, würden schnell herausfinden, wer ich bin.«
    Bodenstein musste zugeben, dass er in diesem Fall eine sehr lange Leitung gehabt hatte.
    »Sie hatten vergessen, mir Ihren Nachnamen mitzuteilen«, sagte er deshalb.
    »Stimmt«, gab sie freimütig zu. »Und warum rufen Sie mich jetzt an?«
    »Ich will mich mit Ihnen treffen«, sagte Bodenstein mit geheimnisvoll gesenkter Stimme und konstatierte zufrieden, dass Thordis für ein paar Sekunden die Schlagfertigkeit abhandengekommen zu sein schien.
    Eine Stunde später betrat Bodenstein die Pizzeria in Kelkheim-Münster, die Thordis ihm genannt hatte. Thordis und Barbara Conrady, in Reithosen und Stiefeln, saßen am Tisch in einer Ecke und tranken Mineralwasser. Es war nur wenig los, vorne am Tresen warteten die Pizzaboten gelangweilt und starrten auf den Fernseher, der mit voller Lautstärke lief. Bodenstein

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